Frankreichs Kriege beschleunigen Radikalisierung
Integrationsexperte Guessoum: Staat und Institutionen haben sich aus Problemvierteln zurückgezogen
Berlin. Die seit Jahren anhaltende islamistische Radikalisierung jugendlicher Muslime in Frankreich hat sich nach Ansicht von Djamel Guessoum durch das militärische Engagement des Landes gegen den Islamischen Staat beschleunigt. Zugleich wachse unter der großen Mehrheit der Franzosen das Misstrauen und die Ablehnung gegenüber dem Islam und den Muslimen im eigenen Land, sagte der Generaldirektor der Vereinigung Arsej, die sich in Saint-Denis und anderen Pariser Vorstädten für die Integration gefährdeter Kinder und Jugendlicher einsetzt im Interview mit »neues deutschland«.
»Vor allem von den jugendlichen Muslimen in den Vorstädten wird das als Missachtung empfunden und löst eine Gegenreaktion aus, die nicht selten gewalttätig ist«, so Guessoum. »Da sie sich chancenlos und ausgegrenzt fühlen, wenden sie sich mehr und mehr Leuten ihrer Herkunft zu, die ihnen Hilfe anbieten – den Islamisten.« Der Staat und seine Institutionen hätten sich weitgehend zurückgezogen. Die Dschihadisten böten soziale Unterstützung, nicht zuletzt beim Ausstieg aus der Kriminalität, und rekrutierten so Anhänger. Dabei missbrauchten sie die Religion als Rechtfertigung für den Terror.
An Lösungen arbeiteten vor allem jene, die keine Macht haben, aber wissen, wie sie die Jugendlichen erreichen können, so wie die Vereinigung Arsej. »Aber vor allem muss es darum gehen, den Jugendlichen die Chance auf Arbeit zu eröffnen, denn der Hauptgrund für die Radikalisierung ist die Arbeitslosigkeit, die in den Vorstädten weit mehr als die Hälfte aller Jugendlichen betrifft.« Das Schwergewicht müsse so auf drei Dinge gelegt werden, betont Guessoum: Schulbildung, Berufsausbildung und geeignete Arbeitsplätze.
Das Interview mit Djamel Guessoum lesen Sie in der nd-Wochenendausgabe.
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