Höchste Gefahr oder Fehlalarm?

Sicherheitsbehörden suchen weiter nach einer Terrorgruppe in Deutschland, von der unklar ist, ob sie überhaupt existiert

  • Lesedauer: 3 Min.
Bestand beim Fußball-Länderspiel in Hannover Terrorgefahr? Berichte dazu sind widersprüchlich. Vor dem Start von Weihnachtsmärkten und anderen Großveranstaltungen sind die Behörden wachsam.

Berlin. Nach der Absage des Fußball-Länderspiels Deutschland - Niederlande wegen eines befürchteten Anschlags suchen die deutschen Sicherheitsbehörden weiter nach einer möglichen Terrorgruppe. Ob wirklich Gefahr bestand, war auch am Sonntag noch unklar. Anstehende Weihnachtsmärkte, Konzerte und Bundesliga-Spiele sollen laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach einer jeweiligen Gefährdungsbewertung stattfinden.

Weitere Ermittlungen müssten ergeben, ob es wirklich eine Gruppe gibt, die bei dem Länderspiel am vergangenen Dienstag in Hannover einen Anschlag plante, hieß es laut Deutscher Presse-Agentur am Sonntag aus Sicherheitskreisen. Die »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« berichtete, ein »minutiös geplanter Terrorangriff« sei nur kurzfristig durch die Absage des Spiels gescheitert. Zwar sei kein Sprengstoff gefunden worden, möglicherweise habe die Gruppe ihre Pläne aber wegen der Spielabsage nur verschoben. Die Gruppe könne immer noch zuschlagen. Der FAS zufolge habe der französische Geheimdienst dem deutschen Verfassungsschutz mitgeteilt, dass eine Terroristengruppe fünf Bomben zünden wolle - drei davon im Stadion, eine an einer Bushaltestelle und eine an einem Bahnhof. Es seien auch konkrete Namen der Verdächtigen übermittelt worden. Diese Namen seien den Sicherheitsbehörden bisher nicht bekannt gewesen. Nun werde nach den Personen gesucht, unter anderem durch die Beobachtung sogenannter Gefährder.

Nach einem Bericht des ZDF haben die Sicherheitsbehörden hingegen keine Hinweise, dass tatsächlich eine solche Terrorzelle mit Anschlagsplänen existiert. In Sicherheitskreisen gebe es unterschiedliche Bewertungen zur Glaubwürdigkeit der Terrorwarnung der Franzosen. Wahrscheinlich habe es sich um »Fehlinformationen« gehandelt, wie sie Nachrichtendienste fast wöchentlich bekämen, zitierte »heute.de« einen Mitarbeiter. Dennoch bestätigten auch diese Quellen, dass man unter Hochdruck nach Informationen suche, etwa zum angeblichen Anführer der Terrorgruppe, Abdul F.

Seit Donnerstag ermittelt der Generalbundesanwalt in der Sache wegen eines Anfangsverdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung. Ein Sprecher wollte wegen der laufenden Ermittlungen keine Angaben machen. Auch ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte nur, die Situation werde weiter beobachtet.

De Maizière sagte in der »Bild am Sonntag«, das Schwierige an Entscheidungen wie der Spielabsage sei, »dass man oft selbst hinterher nicht sofort weiß, wie groß die Gefahr wirklich war«. Geplante Großveranstaltungen sollten stattfinden. »Bei jeder Veranstaltung gibt es eine Gefährdungsbewertung - nicht nur im Hinblick auf Terror.« Die Terrorwarnungen am Wochenende in Brüssel veränderten die ernste Lage in Deutschland nicht, sagte er in Dresden.

Die Behörden rechnen mit gut 1000 Menschen in Deutschland aus dem »islamistisch-terroristischen« Spektrum, darunter etwa 420 sogenannte Gefährder, denen schwere Gewalttaten zugetraut werden. Laut ZDF werden die Menschen dieses Spektrums derzeit überprüft. Zu digitalen Angriffen auf sensible Bereiche wie etwa Börsen sind islamistische Terroristen derzeit nach Einschätzung von BND-Präsident Gerhard Schindler nicht in der Lage, wie er beim Wirtschaftsgipfel der »Süddeutschen Zeitung« in Berlin sagte.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Wochenende, das gesamte Spektrum der Sicherheitsmaßnahmen müsse erweitert werden, um dem Terrorismus seine Grundlage zu entziehen. »Auch militärische Antworten gehören dazu.« De Maizière sprach sich gegen einen Einsatz der Bundeswehr zur Bekämpfung von Terrorismus im Inland aus. »Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist in Deutschland Aufgabe der Polizei, die hierzu auch gut aufgestellt ist«, sagte er der »Bild am Sonntag«. dpa/nd

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