Tödliche Textilindustrie

Deutsche Konzerne drücken sich immer noch gern vor ihrer Verantwortung für die Beschäftigten im globalen Süden

  • Roland Bunzenthal
  • Lesedauer: 3 Min.
An diesem Dienstag vor drei Jahren starben bei der Brandkatastrophe in der Textilfabrik Tazreen in Bangladesch mehr als 100 Beschäftigte. Hat sich bei den Arbeitsbedingungen in der Branche seither etwas getan?

»Tested for harmful Substances« - das wohl bekannteste Gütesiegel für Textilien weltweit hebt ab auf den gesundheitsbewussten Kunden: Der ist auch immer häufiger gewillt, für das Vertrauen in die schadstoffarme Herstellung laut Öko-Tex-Standard 100 etwas mehr zu bezahlen. Dagegen setzt das soziale Gewissen des deutschen Durchschnittskonsumenten meist aus, wenn er die Jeans für unter zehn Euro oder das T-Shirt für weniger als drei Euro ergattern kann. Hinter solchen Billigangeboten verbirgt sich ein mörderischer Wettbewerb. Über Niedriglöhne, mangelnde Sicherheit in den Fabriken und krank machende Arbeitsbedingungen zahlen die Ärmsten den Preis dafür.

Am 24. November 2012 brannte in Bangladesch eine Fabrik des Tazreen Konzerns, eines der größten Textilunternehmen im ärmsten Land Asiens mit seinen rund 5000 Kleiderfabriken. 117 Näherinnen starben in den Flammen - die meisten davon Haupternährerinnen ihrer Familien. Die Medien erwähnten meist nicht, dass deutsche Textilketten, allen voran C&A, Hauptabnehmer der dort hergestellten Produkte sind. Erst als fünf Monate später ein Fabrikeinsturz in Bangladesch rund 1200 Todesopfer forderte, sorgte die öffentliche Entrüstung dafür, dass die Textilmultis einlenkten: Für die Opfer von Rana Plaza zahlten sie 30 Millionen Euro Entschädigung.

Das sich bei den Firmen etwas bewegt, begrüßt Berndt Hinzmann von der Kampagne für Saubere Kleidung: Die Katastrophe erhöhe den Druck auf die Modeketten, das Brandschutz- und Gebäudesicherheitsabkommen zu unterzeichnen. Anfang Juli 2013 trat das von über 190 Unternehmen unterzeichnete Abkommen in Kraft. Es sieht vor, dass unabhängige Sicherheitsinspektionen vorgenommen, Reparaturen und Renovierungen verpflichtend werden und die Konzerne sich an den Kosten beteiligen müssen. Auch sollen Arbeiter und Gewerkschaften mit einbezogen werden.

Leider riskierten Mitarbeiter, die auf Sicherheitsmängel hinwiesen, zuweilen ihren Job, berichtet Hinzmann. Die Kampagne für Saubere Kleidung wurde vor zehn Jahren von 20 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen gegründet und steht in engem Kontakt zu örtlichen Gewerkschaften. Jahrelang bemühte sie sich darum, ein Abkommen aller Beteiligten auf den Weg zu bringen. Am 8. Juni teilte die Internationale Arbeitsorganisation mit, dass die benötigten 30 Millionen Dollar zur Entschädigung der Rana-Plaza-Opfer bereitstünden. Bislang haben allerdings die wenigsten Entschädigungsgelder gesehen.

Die Ziele müssten nun konkret mit finanziellen Mitteln unterlegt und der Erfolg durch ein Monitoring nachgewiesen werden, lauten Hinzmanns Forderungen in Richtung Bundesregierung. Es brauche konkrete Maßnahmen - etwa für besseren Brandschutz, kürzere Arbeitszeiten, höhere Mindestlöhne und den Aufbau von Gewerkschaften. Zumindest bei den letzten beiden Punkten hat die Regierung in Bangladesch eingelenkt: Der Mindestlohn wurde von 3000 auf 5000 Taka (rund 50 Euro) im Monat erhöht. Eine Mehrzahl der Firmen hält sich jedoch nach Erfahrung der Kampagne nicht an die Vorgabe. Zusammen mit dem Bundesentwicklungsministerium gründete sie vor einem Jahr ein breites »Bündnis für saubere Kleidung«, das Gewerkschaften, reformbereite Unternehmen und private Organisationen einschließt.

Firmen wie Otto und Hess hatten sich früh zu ihrer sozialen Verantwortung bekannt. Doch viele andere Konzerne entziehen sich. Die Entwicklungsorganisation Medico International will sie juristisch zu Schadenersatz und Schmerzensgeld verpflichten. Vor dem Landgericht Dortmund klagt Medico seit über zwei Jahren gegen den zur Tengelmann Gruppe gehörenden Textildiscounter KiK im Namen von vier Opferfamilien des Großbrandes bei Ali Enterprises in Pakistan im Jahr 2012. Abgesehen von einer Soforthilfe von einer Million Euro verzögert KiK bislang alle Verhandlungen über eine langfristige Entschädigung.

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