Auf nach Mali - den Flüchtlingen entgegen

In dieser Woche beraten Parlamentsausschüsse über den beabsichtigten Bundeswehr-Kampfeinsatz in Afrika

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Anschläge in Paris fordern unsere Solidarität, Frankreich bat um militärischen Beistand - was also liegt näher als deutsche Kampftruppen nach Mali zu schicken?

Am Mittwoch erstattet die Bundesregierung einen Bericht «über die außenpolitischen Konsequenzen aus den Ereignissen vom 13. November 2015 in Paris». Zwischen 8 und 9 Uhr wird der Verteidigungsausschuss gebrieft, um 15.15 Uhr ist der des Äußeren dran. Obwohl gewiss zufällig, so drückt die Reihenfolge schon eine Schwerpunktsetzung aus, denn: Es geht um deutsche Kampftruppen, die nach Mali geschickt werden sollen.

Man wolle Frankreich im Kampf gegen den Islamischen Staat helfen, versprach die Kanzlerin unmittelbar nach dem Freitag, an dem in Paris 129 Menschen von Terroristen umgebracht wurden, die sich dem Islamischen Staat verschrieben haben sollen. Auch CDU-Parteifreundin und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen meldete sich: Wenn Frankreich jetzt verstärkt in Syrien operieren müsse, wolle man das französische Militär unterstützen. Und zwar in Mali. Dort drohen islamistische Terroristen und Tuareg-Rebellen Macht und Gebiete zu erringen.

Mali war bis 1960 eine Kolonie Frankreichs. Das Land galt fast als afrikanische Musterdemokratie. Doch nach einem Militärputsch 2012 ist das Land faktisch zweigeteilt. Die Welt wurde aufmerksam, als die Sahara-Oasenstadt Timbuktu in die Hände islamistischer Angreifer fiel. Die französische Armee griff ein, gemeinsam mit ihr versuchen rund 12 000 ausländische Soldaten und Polizisten im Rahmen des MINUSMA-Kontingents (United Nations Multidimensional Integrated Stabilization Mission in Mali) den militärischen Erfolg gegen die Islamisten auszuweiten.

Deutschland beteiligt sich schon mit rund 200 Soldaten an der EU-geführte European Training Mission Mali (EUTM Mali). Durch die Ausbildungsmission im Süden des afrikanischen Landes sollen einheimische Soldaten in die Lage versetzt werden, selbst Verantwortung für die Sicherheit des Landes zu übernehmen. Nun sollen Bundeswehreinheiten folgen, um im Norden gegen Islamisten und Rebellen zu kämpfen.

Was nach den jüngsten Anschlägen von Paris als eine Art Ad-hoc-Mission daherkommt, wird seit dem Frühjahr geplant. Bereits im August waren Bundeswehrexperten vor Ort, um vor allem mit den niederländischen Soldaten Absprachen zu treffen. Unser Nachbarland hat 400 Militärs sowie Kampfhubschrauber im Einsatz. Die militärische Kooperation beider Staaten in und jenseits der NATO ist generell gut, man hat gemeinsame Einheiten gebildet. Die Verteidigungsministerinnen Ursula von der Leyen und Jeanine Plasschaert kommen bestens miteinander aus.

Der Mali-Einsatz, an dem Hunderte Bundeswehrsoldaten teilnehmen werden, ist zunächst einmal eine politische Entscheidung des Parlaments. Der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter, will die Regierung in Bamako stabilisieren. Gehe sie unter, «würde das Land vollständig im Chaos versinken und das kann nicht in unserem Interesse sein», sagte der Oberst der Reserve dem Deutschlandfunk. Dagegen hält der Außenpolitikexperte der Linksfraktion, Stefan Liebich, bereits die Ausbildungsmission im Süden für fragwürdig. «Das Letzte, was Mali jetzt braucht, sind Bundeswehrsoldaten im Kampfeinsatz. Liebichs Begründung gegenüber »nd«: Es gebe keinen nachhaltigen Friedensprozess, der abgesichert werden könnte, es fehle eine Strategie, man könne kein Ziel erkennen, nach dessen Erreichen die Bundeswehr abgezogen werden würde. »Deutschland begäbe sich in einen neuen jahrelangen perspektivlosen Einsatz. Das kann man nur ablehnen.«

Für das Militär besteht nun eine logistische Herausforderung. Soldaten, Material, Technik und Nachschub gibt es genug. In Deutschland. Zudem ändert sich die Lage im Einsatzort fast täglich. Vor gut einer Woche noch ging ein ranghoher deutscher General davon aus, dass man für die Ausbildungsmission in Bamako keine geschützten Fahrzeuge braucht, denn da sei ja alles ruhig. Der jüngste Überfall eines Terrorkommandos auf ein Hauptstadthotel lässt diese Sparsamkeitsentscheidung womöglich in einem anderen Licht erscheinen.

Wie aber schafft man das Material für ein kampfstarkes Bataillon Kampftruppen heran? Mali ist ein Binnenland. Die Luftwaffe verfügt derzeit nur über einen A400M-Transporter, zwei weitere sind in der Abnahme. Die alten Transall sind für solche langen Strecken nicht geeignet. Doch man hat ja Erfahrungen - aus Afghanistan. So wird wieder vieles mit den russisch-ukrainischen An-124-Maschinen geflogen werden. Der Strategische Lufttransport SALIS wird erneut zum Schlüssel deutscher Auslandseinsätze. Die man gewiss in einem größeren Rahmen - auch dem der Massenflucht aus Afrika - betrachten muss.

Wer in Mali eingreift, muss die gesamte Region im Blick haben. Eine wesentliche Frage lautet: Wie wirkt sich so ein Einsatz auf unregierte Staaten wie Libyen und Sudan aus? Hinterher ist man meist schlauer. Doch zu welchem Preis?

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