Nur wenig Interesse an Beiratswahlen
Hessens Kommunen haben neue Ausländervertretungen
Gut drei Monate vor den nächsten Kommunalwahlen in Hessen wurden dort am Sonntag in 83 Kommunen und Landkreisen neue kommunale Ausländerbeiräte gewählt. Zwar lagen am Montag in größeren Städten wegen des komplizierten Wahlrechts noch keine Ergebnisse vor, jedoch sticht bereits die gegenüber der Wahl 2010 vielerorts gesunkene Wahlbeteiligung ins Auge. Sie lag in den meisten Kommunen im einstelligen Bereich, landesweit waren es rund sechs Prozent.
Dieser Trend traf auch auf Großstädte wie Frankfurt am Main oder Wiesbaden zu. Mit mageren 1,6 Prozent gehört Maintal bei Hanau zu den Schlusslichtern. Dass sich mit Engagement und Bekanntheit der Akteure jedoch auch deutlich mehr Menschen mobilisieren lassen, zeigt die überdurchschnittliche Wahlbeteiligung in der VW-Stadt Baunatal bei Kassel mit immerhin 15,8 Prozent, in Dautphetal bei Marburg (24,4) und im unweit des Frankfurter Flughafens gelegenen Kelsterbach (27,1).
Ursprünglich als klassische »Gastarbeiterparlamente« in Wiesbaden, Limburg, Kassel, Rüsselsheim und Bad Homburg ins Leben gerufen, sind die kommunalen Ausländerbeiräte heute als beratende Gremien in der hessischen Kommunalverfassung verankert. Während alle volljährigen Nichtdeutschen mit festem Wohnsitz in einer Kommune das aktive Wahlrecht haben, konnten am Sonntag auch Doppelstaater, Eingebürgerte sowie Flüchtlinge kandidieren.
Zu den möglichen Erklärungen für die gesunkene Beteiligung gehört der Hinweis, dass die Anzahl der Wahlberechtigten gegenüber 2010 um mehr als 25 Prozent gestiegen ist. Denn viele der inzwischen angekommenen Flüchtlinge hatten am Sonntag aktives Wahlrecht, sofern sie vor Ort seit mindestens drei Monaten gemeldet waren. Doch »die meisten Flüchtlinge haben noch nie etwas von der Wahl gehört und verstehen die Wahlbenachrichtigungen aufgrund mangelnder Sprachkenntnis nicht«, erklärt Enis Gülegen, Vorsitzender des Landesausländerbeirats. In Gießen etwa hatte dies den Effekt, dass sich bei einer nahezu konstanten absoluten Zahl aktiver Wähler die Beteiligung gegenüber 2010 nahezu halbierte.
Neben vielen traditionsreichen türkischen und südeuropäischen Gruppierungen und etlichen parteipolitisch orientierten Vereinigungen waren unter den 2427 Bewerbern auf über 200 Listen am Sonntag verstärkt auch Menschen polnischer, rumänischer, bulgarischer und afrikanischer Abstammung angetreten. Zahlreiche eingebürgerte Deutsche und EU-Bürger arbeiten längst in Kommunalparlamenten mit und konzentrieren sich derzeit auf ihre Kandidatur bei der Kommunalwahl am 6. März. Auch das dürfte zu dem relativ geringen Interesse an der Beiratswahl geführt haben.
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