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Mangelhafte Aufklärung

Nach Angriffen auf Flüchtlingsheime wird selten Anklage erhoben

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Bränden in Flüchtlingsunterkünften tappt die Polizei oft im Dunkeln. Nun haben Beamte ein rassistisches Motiv für einen Angriff auf den Besitzer einer Dönerbude ausgeschlossen.

Im Saarland ist der Inhaber einer Dönerbude in seinem Geschäft überfallen und schwer verletzt worden. Der Vorfall ereignete sich am späten Freitagabend in der Gemeinde Marpingen. Das berichtete nun die »Saarbrücker Zeitung«. Das Opfer reinigte sein Geschäft, als drei Männer, von denen zwei maskiert waren, eintraten. Einer der Täter schlug dem Ladenbesitzer mit einer Eisenstange auf den Kopf. Der Angegriffene versuchte, sich mit einem Kebabspieß zu verteidigen. Daraufhin schoss einer der Angreifer - vermutlich mit einer Druckluftpistole - mehrmals auf das Opfer und trat es. Auffällig war, dass nichts entwendet wurde. Obwohl die Tat entfernt an Anschläge der rechten NSU-Terroristen erinnert, die neun Migranten ermordet hatten, schloss die Polizei einen ausländerfeindlichen Hintergrund schnell aus. Über die Täter wissen die Beamten nur, dass sie Deutsch sprachen.

Bei Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte ist das rassistische Motiv der Täter in den meisten Fällen hingegen so offensichtlich, dass die Polizei es nicht ausschließen kann. Doch diese Taten werden von der deutschen Justiz bislang kaum aufgeklärt. Das geht aus einer am Donnerstag vorgestellten Analyse der Wochenzeitung »Die Zeit« und von »Zeit Online« hervor. Der Untersuchung zufolge wurden von Januar bis November 222 fremdenfeindliche schwerwiegende Angriffe auf Unterkünfte bekannt. Nur in zwölf Fällen sei bisher Anklage gegen die Täter erhoben worden.

Als schwerwiegend wurden Attacken eingestuft, bei denen Menschen zu Schaden kamen oder hätten zu Schaden kommen können. Dabei handelte es sich um 93 Brandanschläge, 93 Sachbeschädigungen und acht Wasserschäden. Hinzu kamen 28 tätliche Angriffe. Dabei wurden insgesamt 104 Menschen verletzt. In vier Fällen sei bisher jemand verurteilt worden. In 41 Fällen wurden Tatverdächtige ermittelt, aber keine Anklage erhoben.

Die Übergriffe verteilen sich auf das gesamte Bundesgebiet. Allerdings gibt es regionale Unterschiede. So habe es in Sachsen 64 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben, in Nordrhein-Westfalen 21 und in Berlin 20. Jeweils zwei Angriffe gab es in Bremen, Hamburg und dem Saarland. In Niedersachsen wurden fünf Attacken gezählt.

Als Ursache für die geringe Aufklärungsquote nannte »Zeit Online« einerseits den typischen Ablauf der Taten. Häufig würden Brandsätze aus vorbeifahrenden Autos geworfen. Einige Unterkünfte lägen sehr abgelegen, so dass es kaum Zeugen gebe. Allerdings stießen Ermittler auch oft »auf eine Mauer des Schweigens«. Zudem wirkten sich Personalmängel bei den Sicherheitsbehörden aus.

Einen Erfolg gibt es nun bei den Ermittlungen zum Anschlag auf eine damals noch unbewohnte Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Meißen. Für den Brand und die versuchte Überschwemmung im Sommer sollen zwei Männer verantwortlich sein. Gegen die 37 und 41 Jahre alten Personen wurden Haftbefehle wegen gemeinschaftlicher schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung erlassen. Das teilten die Staatsanwaltschaft und das Operative Abwehrzentrum am Donnerstag in Dresden mit. Die beiden mutmaßlichen Täter haben den Angaben zufolge zugegeben, am 28. Juni Feuer in dem Gebäude gelegt und am 14. August dann versucht zu haben, es zu überschwemmen. Bei der Durchsuchung der Wohnungen von insgesamt sieben Verdächtigen waren Beweise gefunden worden. Als Motiv wurde Fremdenfeindlichkeit genannt. Die Männer wollten das Wohnhaus unbenutzbar machen und den Einzug der Asylbewerber verhindern. Mit Agenturen

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