»Buddisten« trotzen Umfragetief

Sachsen-Anhalt: SPD stärkt Spitzenkandidatin

  • Hendrik Lasch, Wittenberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Nackenschläge für die SPD in Sachsen-Anhalt hören nicht auf. Dennoch haben sich die Genossen 99 Tage vor der Landtagswahl demonstrativ hinter Katrin Budde als Spitzenkandidatin gestellt.

Ausgerechnet in Wittenberg, der Stadt der Reformation, haben die Sozialdemokraten von Sachsen-Anhalt eine Katholikin zur Spitzenkandidatin für die Landtagswahl am 13. März 2016 gekürt - und sich damit als Anhänger einer neuen Glaubensrichtung bekannt: des »Buddismus«. Den hatte zuvor SPD-Bundesvize Ralf Stegner ausgerufen, der seine Parteifreundin Katrin Budde damit loben konnte, ohne als bekennender Lutheraner in einen theologischen Disput mit ihr treten zu müssen. Die Genossen erwiesen sich zumeist als feurige Adepten. 95 der 102 Delegierten setzten Budde auf Platz eins der Landesliste, was einem Ergebnis von 93 Prozent entspricht.

Ein solch überzeugender Rückhalt hatte vorab nicht als sicher gegolten, auch wenn Budde im März bei ihrer Nominierung sogar noch ein paar Prozentpunkte mehr eingefahren hatte. Denn seither war die Partei mehr in den Wahlkampf gestolpert als gestürmt. Das lag weniger an einer Skiverletzung, die Budde lange an Krücken gehen ließ, sondern an internen Querelen. Erst hatte Budde bei ihrer Wiederwahl als Landesvorsitzende nur magere 79 Prozent erzielt. Dann gab mit Magdeburgs Rathauschef Lutz Trümper einer der prominentesten SPD-Kommunalpolitiker sein Parteibuch ab. Grund war Buddes Widerspruch gegenüber CDU-Regierungschef Reiner Haseloff, der Obergrenzen bei der Zuwanderung fordert.

Schließlich sprachen sich prominente Genossen, darunter Finanzminister Jens Bullerjahn, für eine Fortsetzung der CDU/SPD-Regierungskoalition aus, derweil sich die Frontfrau ein rot-rot-grünes Bündnis offen hält. Deren Eignung als Spitzenkandidatin stellten einzelne Genossen öffentlich in Frage. Ein weiterer Nackenschlag folgte unmittelbar vor Beginn des Wittenberger Parteitags in Form einer Umfrage, die der SPD einen Absturz prophezeit: Sie wird nur noch bei 15,5 Prozent geführt, fünf Punkte weniger als bei der bereits unbefriedigenden Landtagswahl 2011 und nur noch zwei Punkte vor der AfD. Weil die Grünen auf sechs Prozent abrutschen, während die LINKE bei 23 Prozent verharrt, hätte ein linkes Bündnis derzeit keine Mehrheit.

Man solle sich aber »nicht ins Bockshorn jagen lassen«, warnte SPD-Sprecher Martin Krems-Möbbeck: Die Umfrage stamme vom Institut INSA, dessen Gründer Hermann Binkert als Berater der AfD gilt. Andreas Dittmann, SPD-Rathauschef von Zerbst, sagte: »Da will uns jemand einschüchtern.« Auch LINKE-Spitzenkandidat Wulf Gallert erklärte auf Twitter, angesichts des Zeitpunkts der Veröffentlichung »merkt man die Absicht«. Eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün sei »möglich und für Sachsen-Anhalt nötig«.

Auch Budde gab sich kämpferisch. Sie appellierte angesichts der Prognose für die AfD an alle demokratischen Parteien, sich dafür einzusetzen, »dass es kein Problem mit der Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt gibt«. Zugleich teilte sie gleichmäßig in Richtung beider möglicher Partner in einer künftigen Koalition aus. Dem CDU-Regierungschef Reiner Haseloff warf sie Versagen in der Wirtschaftspolitik vor: »Im Land herrscht Nullwachstum, und der Ministerpräsident schweigt dazu.« Der LINKEN attestierte sie unter Hinweis auf kürzlich veröffentlichte Vorschläge zu Schulreformen, sie könne »nichts anderes als Opposition«. Das Land brauche eine »zupackende Führung«, was nach Buddes Überzeugung heißt, dass sie durch die SPD erfolgen müsse. Ob das auch die Wähler überzeugt und diese zum »Buddismus« konvertieren, weiß man in 99 Tagen.

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