Zwei NSU-Einzeltäter und ein Heimchen

Was wir schon immer mal über Zschäpes Katzen wissen wollten

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.

Nein, dieser Tag war nicht hilfreich bei der Aufklärung der NSU-Verbrechen. Die im Prozess gegen die rechtsextremistische Terrororganisation Hauptangeklagte Beate Zschäpe erzählte nichts, was nicht so oder so ähnlich der Verfassungsschutz bereits erzählt hat: Junges ostdeutsches Mädchen, orientierungslos, aber verliebt, kam in deutsch-deutschen Wendezeiten in falsche Gesellschaft. Zwischen den beiden Uwes, die alleine alle Morde, Bombenanschläge und Überfälle geplant und durchgeführt haben sollen, sei sie letztlich nur entsetzt gewesen. Sie habe versucht, die beiden Männer von Verbrechen abzuhalten, sei aber zu schwach gewesen, einfach auszusteigen, resignierte schließlich, ergab sich dem Sekt und vernachlässigte sogar ihre Katzen. Was, so mag doch ein jeder nachzuvollziehen, für sie, die ihre Katzen so liebte, völlig untypisch war.

Welch tolles Drehbuch für eine Vorabend-Daily-Soap!

Ob die über 50 Seiten lange Einlassung hilfreich war bei Zschäpes Verteidigung, muss das Gericht entscheiden. Ihr Angebot, Beihilfe zu Morden gegen Mitwisserschaft zu tauschen, kam zu plump daher.

Und deshalb ist es auch zweifelhaft, ob diejenigen, die meinen, dass nun endlich Schluss sein müsse mit den ewigen Nachforschungen zur rechtsterroristischen Nazizelle NSU, zufrieden sein können. Zwar behauptete Zschäpe, so eine Organisation habe es de facto nie gegeben - und wenn doch, dann habe sie nur aus den beiden Uwes bestanden. Doch wer soll ihr das abkaufen?!

Vielleicht lehnen sich verantwortliche Verfassungsschützer nach dieser Aussage beruhigt zurück, weil sie sich innerhalb der staatlich nützlichen Bahnen bewegt. Doch beamtete Vertuscher sollten sich nicht täuschen: Einen Endpunkt der Aufklärung haben die beiden neuen Zschäpe-vertrauten Anwälte am Mittwoch nicht gesetzt. Im Gegenteil. Schon weil in ihrem Vorlesepaket zu auffällig jeder Hinweis auf Beziehungen des Trios »nach außen« oder zu den Mitangeklagten vermieden wurde. Das mag womöglich eine für Zschäpe lebensverlängernde Maßnahme gewesen sein. Doch weiß man inzwischen dank verschiedener Untersuchungsausschüsse und den Recherchen von Medien und Antifaschisten weitaus besser, wie verzweigt das Netzwerk gewaltbereiter Neonazis in Deutschland und in Europa schon um die Jahrtausendwende war.

Es wird – trotz aller Stromlinienförmigkeit von Zschäpes Aussagen – noch einige Zeit brauchen, bis man alle Details an bereits ermittelten Tatsachen zum NSU bewertet hat. Schon jetzt fallen diverse Unstimmigkeiten auf. Wesentlich festzustellen aber ist: Die Hinterbliebenen der Opfer und die Überlebenden der Terroranschläge werden Zschäpes angeblich aufrichtige Entschuldigung wohl nicht akzeptieren können. Wer kann ihnen das verdenken! Nach dieser Aussage-Inszenierung muss ihnen abermals unser Mitgefühl gelten. Ob das die Kanzlerin auch so sieht? Sie hat ihnen schließlich schon vor Jahren die vollständige Aufklärung der NSU-Verbrechen sowie der Gründe für staatliche Untätigkeit versprochen.

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