Der Kindskopf

Le Millipede

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 2 Min.

Mathias Götz ist studierter Jazzmusiker (mit Abschluss). Er komponiert eigene Stücke, spielt Posaune, Klavier, Xylophon und Glockenspiel, Stylophon, Moog, Harmonium, ein Casio und zahlreiche andere Instrumente, von denen man nicht wusste, dass es Instrumente sind. Und manchmal singt er auch, allerdings ohne dabei Worte zu bilden, also nur dann, wenn er seine Stimme als Musikinstrument einsetzen kann.

Überhaupt: Alles ist Musik. Man muss nur lernen hinzuhören. Oder lernen, dass ein Holzfußboden nicht nur ein Holzfußboden ist, sondern auch ein Instrument. »Der Boden knirscht, und das kann man tatsächlich an ein paar Stellen auf dem Album hören. Also wenn ich es durchhöre, weiß ich: Ah, da war wieder ein Parkett-Knarzer«, sagte Götz dem Sender Deutschlandradio Kultur. Man sieht: Der Mann ist kein Purist, eher das Gegenbild zu einem solchen: ein Tüftler, ein verspielter Ausprobierer, ein Grenzen Ignorierender. Götz betreibt das Projekt Le Millipede, das im Wesentlichen aus ihm selbst besteht, gemeinsam mit den umtriebigen Gebrüdern Markus und Micha Acher, die man, sieht man von ihrem Engagement in ungefähr 37 verschiedenen anderen Musikformationen ab, vor allem aufgrund ihrer gemeinsamen Indiepop-Band The Notwist kennt.

In seiner Musik, die Götz selbst eine »verkopfte Kinderzimmermusik« nennt, darf es, neben den Elektropop-Anteilen, durchaus leise rascheln und knistern und bimmeln. Sie muss nicht klinisch rein klingen, nicht aseptisch, nicht rechtwinklig, nicht so, dass man annehmen muss, aus ihr sei alles Lebendige längst entfernt worden.

Götz ist im Übrigen auch Mitglied des kleinen, sieben- bis zehnköpfigen Jazz-Orchesters Alien Ensemble, über dessen virtuos dargebotenen Neo-Jazz in dieser Zeitung einmal zu lesen war: »Man denkt an einen schläfrig-entspannten Miles Davis, aber auch an Free-Jazzer wie das Art Ensemble of Chicago«.

Wie ihm als Le Millipede das Kunststück gelingt, Jazzmomente, Kinderzimmergeräusche und Reste bayrischer Blas- und französischer 70er-Jahre-Filmmusik so zu einer organischen Einheit zusammenzufügen, dass es nicht im geringsten wirr oder disparat klingt, sondern immer nach zeitlosem, verträumtem, entspannt vor sich hingroovendem Pop, weiß man nicht.

Erschienen ist das Album von Le Millipede bereits vor einer Weile auf dem Notwist-eigenen Label Alien Transistor, dessen musikalischer Forschungsarbeit man am kommenden Montagabend in Berlin beiwohnen kann.

»Alien Transistor«-Labelnacht, Konzert mit Le Millipede, Jam Money und Mimicof, 14.12., 20 Uhr, Roter Salon der Volksbühne Berlin. Le Millipede: »Le Millipede« (Alien Transistor)

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -