Sperrfeuer aus der CDU in Niedersachsen

Verträge mit islamischen Verbänden sorgen für Streit

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Papst Franziskus verneigt sich in der Blauen Moschee zu Istanbul gen Mekka und predigt für den interreligiösen Dialog, Christen und Muslime sehen gemeinsame Glaubenswurzeln im biblischen Stammvater Abraham. Niedersachsens Landtags-CDU dagegen scheint mehr Nähe von Christen und Muslimen zu fürchten wie der Teufel das Weihwasser. »Da machen wir nicht mit«, wetterte Björn Thümler, Fraktionschef der Christdemokraten, jüngst gegen muslimische Gebetsräume, die SPD und Grüne in Schulen erlauben wollten. Geplante Verträge zwischen dem Land und islamischen Verbänden sähen das vor.

Auch den Ruf des Muezzins von einem Minarett, gar von Lautsprechern verstärkt, erwartet die Union offensichtlich mit Bangen. So etwas sei abzulehnen, hieß es aus ihren Reihen, und Thümler wurde zitiert: Kirchenglocken bewegten zur inneren Einkehr, der Ruf des Muezzin dagegen tue das nicht.

Thümler und Parteifreunde dürften sich beruhigen, nachdem die Regierung am Montag aus dem Vertrag einige Details bekannt gab. So etwa zum »Gebetsraum«. Einen solchen, so stellte Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) klar, könne jede Schule freiwillig einrichten. Er werde »nicht ausschließlich muslimischen, sondern allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung stehen, die beten möchten oder Ruhe suchen«. Und: nur während der unterrichtsfreien Zeit.

Die Verwendung von Minarett-Lautsprechern wiederum ist bei den muslimischen Gemeinden offenbar gar kein Thema. Hannovers »Neue Presse« zitiert den Vorsitzenden des Islamverbandes Ditib, Yilmaz Kilic, zur Muezzin-Frage: »Das steht nicht im Vertrag, und das war nie ein Wunsch von uns.«

Erfüllen will die Regierung den Wunsch der Muslime in punkto Feiertage, konkret: Arbeitgeber sollen den Gläubigen die Teilnahme an religiösen Veranstaltungen ermöglichen, etwa zum Opferfest - allerdings ohne Lohnfortzahlung.

Muslimische Seelsorger, so ein weiterer Passus, sollen Zugang zu Krankenhäusern und Hospizen bekommen und auch zu Gefängnissen. Das »Kopftuch an Schulen« wird erwähnt, aber laut Frauke Heiligenstadt nur »deklaratorisch«, denn: Niedersachsen folgt bereits der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die besagt: Lehrkräfte dürfen sich für oder gegen das Kopftuchtragen entscheiden.

Großer Wert, so die Ministerin, werde in den Verträgen auf die »Grundwerte der Verfassung gelegt«. Dazu zähle beispielsweise die Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Die islamischen Verbände Ditib, Schura und die Alevitische Gemeine sollen über einen Zeitraum von fünf Jahren vom Land je bis zu 100 000 Euro jährlich zum Aufbau von Geschäftsstellen erhalten. Das rief sogleich die Humanistische Union auf den Plan. Die Organisation, die zugleich die staatlichen Zuwendungen an die christlichen Kirchen kritisiert, sieht in der Unterstützung der Verbände einen massiven Verstoß gegen die verfassungsrechtlichen Prinzipien der Religionsneutralität und gegen die Trennung von Staat und Religionsgemeinschaften.

Die muslimischen Verbände hoffen, dass die Vereinbarungen, über die seit Jahren diskutiert wird, nun endlich zustande kommen. Damit das geschieht, muss noch der Landtag zustimmen. CDU und FDP haben Bedenken und wollen die Verträge rechtlich prüfen lassen.

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