Eine schrecklich nette Familie

Im Kino: «Star Wars VII - Das Erwachen der Macht» von J.J. Abrams

  • Tobias Riegel
  • Lesedauer: 5 Min.
«Das Erwachen der Macht» erfüllt pflichtschuldig die Fan-Erwartungen nach einer Rückkehr zu den Wurzeln. Das macht «Star-Wars VII» etwas voraussehbar – aber auch zu einem vergnüglichen Nostalgietrip.

Ich bin dein Vater.« Diese Zeile, die 1980 Darth Vader zu Luke Skywalker sagte und damit Millionen von Teenagern schockte, birgt das ganze Geheimnis der Star-Wars-Saga. All die opulenten Weltraumschlachten, die reaktionären Pseudo-Religionen, der simple politische Kampf zwischen faschistoiden Imperialisten und freiheitlichen Rebellen, der holzschnitzartige Konflikt zwischen Gut und Böse - sie geraten zu austauschbaren Nebensachen und zum begleitenden Budenzauber. Der füllt nur imposant die Lücken, bis es wieder um das Wesentliche geht: Wer hat mit wem geschlafen? Wer ist der aktuelle Thronfolger dieser ziemlich inzestuösen Jedi-Rebellen-Dynastie?

Die Disney-Erben der Star-Wars-Maschinerie haben dieses Familien-Sitcom-Element - nach drei leblosen Episoden - in »Das Erwachen der Macht« wieder ins Zentrum gestellt. Die Lichtschwertduelle, das Geknuddel mit süßen Robotern, die fiesen Strategien der »dunklen Seite«, die wundersame Rettung »des Lichts« in letzter Sekunde - sie halten bei dieser Episode gleich eine ganze Palette von jenen Familienverstrickungen in sich verborgen.

Der Film ist genau so, wie man ihn gerne selber gemacht hätte. Er bringt den analogen Charme, den Rost und das Kultpersonal der ersten drei Filme zurück, glänzt mit schrägen Wesen und schrottigen Androiden, fährt in den 3D-Weltraum-Schlachten die ganze aktuelle Technikpalette auf und stellt andauernd selbstironische Beziehungen zur ersten Trilogie her. Und dennoch muss man nach dem Kinobesuch Regisseur J.J. Abrams recht geben, der kürzlich sagte, dass die Enttäuschung bei diesem Film unausweichlich ist, da man die Erwartungen der drei Generationen umfassenden Fangemeinde unmöglich erfüllen kann. Das war - auch wenn es nur kokettierende Vorwärtsverteidigung war - ein bemerkenswertes Eingeständnis des eigenen Scheiterns.

Um den Schaden möglichst berechenbar zu halten, hat Abrams den allerersten Star-Wars-Film jetzt einfach noch einmal verfilmt: »Das Erwachen der Macht« beginnt exakt wie die Vorlage von 1978: Ein Rebell in Not vertraut einem Androiden wichtige Informationen an. Diese verletzliche und herzerweichend quiekende Blechbüchse landet wie damals R2D2 auf einem Wüstenplanet. Dort zieht er seine »zufällige« Finderin, die junge Schrottsammlerin Rey (Daisy Ridley), mitten in den Krieg zwischen Imperium und Rebellion hinein - wie R2D2 einst Luke. Rey bekommt schnell Verstärkung von Finn (John Boyega), einem desertierten Mitglied der imperialen Sturmtruppen - und von den alten Sternenkriegs-Haudegen Han Solo (Harrison Ford) und Chewbacca. Fortbewegt wird sich standesgemäß in einem kultigen, aber hoffnungslos veralteten Schrotthaufen, genannt Millenium-Falke.

Das Imperium heißt hier »First Order«, der Oberschurke ist ein entstellter, glatzköpfiger Riese (Gollum-Darsteller Andy Serkis), der traditionsgemäß nur als Hologramm auftaucht - aber entgegen der Tradition unverhüllt ist, während anderes Personal erstaunlich normale Gesichter hinter den schwarzen Helmen verbirgt. Der pensionierte R2D2 hat mit dem ballförmigen BB-8 einen adäquaten Ersatz gefunden. Die Story wird einfach gehalten und nicht wie in den verunglückten letzten Teilen mit dem Schmieden komplizierter politischer Ränke überfrachtet. Und so gibt es nur eine einzige Frage, an der sich hier ganze Sternenkriege entfachen: Wo ist der letzte Jedi? Wo ist Luke?

TV-Produzent Steven Weintraub hat recht, wenn er sagt: »›Das Erwachen der Macht‹ ist der beste Sternenkrieg seit 1983 ... vielleicht 1980.« Doch das ist nun wahrlich keine Kunst. Und eigentlich konnte Abrams hier gar nicht verlieren. Die Erfüllung sehnlicher Fanwünsche kann man sich kaum einfacher vorstellen als bei dieser Fortsetzung. Denn das Star-Wars-Märchen mit dem faszinierenden Grundpotenzial befand sich seit drei Filmen in lieblosen und unfähigen Händen: Die letzten Episoden sehen nicht gut aus, verschleudern die Story und die teils guten Darsteller, ja sie glänzen nicht einmal mit technischer Perfektion.

Folgerichtig dachte Abrams wohl, er müsse eigentlich nur nostalgisch an den von George Lucas zwischen 1978 und 1983 entworfenen Kosmos anknüpfen. Doch in der Praxis reicht es dann eben doch nicht, dass die Drehbuchautoren Han Solo, Prinzessin Leia (Carrie Fisher), Chewbacca, das altbekannte Waffen- und Fluggerätearsenal, den tattrigen C3PO und sogar einen Todesstern aus der Mottenkiste geholt haben. Denn durch das reine und etwas zu brave Abhaken potenzieller, wahrscheinlich im Vorfeld per repräsentativer Umfrage ermittelter Publikumsforderungen wird der Film sehr berechenbar - und ab dem Moment, da man das Nostalgie-Muster durchschaut hat, auch ein bisschen langweilig.

Diese Vorraussehbarkeit wird nur gebrochen durch die eingangs erwähnten Familienkonstellationen, um die sich alles dreht. Und so sehr es eine Freude ist, Harrison Ford hier noch einmal zu großer Form auflaufen und alle anderen an die Wand spielen zu sehen, so birgt auch seine selbstironische Haltung keine echten Überraschungen - zumal die egoistische Ader, die die Figur Han Solos zur spannendsten der ersten Trilogie machte, einer allzu freundlichen Loyalität gewichen ist. Das Wiedersehen von Leia und Han Solo berührt dennoch, und wird durch Harrison Fords Respektlosigkeiten vor dem Kitsch bewahrt.

Eine logische oder gar politische Überprüfung dieses Films sollte man sich besser ersparen. Denn wer Grautöne sucht, wem esoterische Heilsversprechen gegen den Strich gehen, wer ein Problem damit hat, dass Einzelschicksale das Opfer tausender Leben, ja ganzer Galaxien aufwiegen sollen - der ist bei dieser hellauf militärbegeisterten und strukturell stockkonservativen Saga ohnehin völlig fehl am Platze. Von Star Wars muss man sich überwältigen lassen - nachdem man Reflexionsfähigkeit, Pazifismus und Religionskritik in der Garderobe abgegeben hat. Dann allerdings können Star-Wars-Veteranen »Das Erwachen der Macht« als fast perfekt verpackten Nostalgietrip genießen. Und die heute 12-Jährigen bekommen eine Ahnung davon, was ihre Eltern 1978 so nachhaltig in den Bann schlug. Da das Märchen von der schrecklich netten Jedi-Sith-Familie mit diesem Film einfach wieder von vorne losgeht, bleibt es auch als mediales Lagerfeuer erhalten - an dem Millionen echter Familien weiterhin trügerische Wärme suchen können.

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