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Der Süden ist der Verlierer

Kleinbauernaktivist Daniel Maingi über die WTO-Verhandlungen in Nairobi

  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die am Freitag in Nairobi zu Ende geht, gibt es Annäherung in der Frage der Agrarsubventionen. Daniel Maingi von der kenianischen NGO Growth Partners Africa, die sich für die Förderung von Kleinbauern und nachhaltiger Landwirtschaft einsetzt, lehnt Kompromisse ab, die nicht den Interessen armer Länder nützen. Mit Maingi sprach Andreas Behn.

Erstmals findet eine WTO-Ministerkonferenz in Afrika statt. Ist das ein gutes Zeichen?

Es ist gut, dass die Delegierten bei uns in Kenia zusammenkommen, um über den Welthandel zu beraten. Vielleicht öffnet es denen, die seit 20 Jahren Freihandel predigen, die Augen, was das WTO-Regime im Süden anrichtet. Was es für unsere Entwicklung und für die Landwirtschaft bedeutet. Wir befinden uns aufgrund all dieser Regeln und Vorschriften in einer Sackgasse. Deshalb müssten wir eigentlich ganz von vorne anfangen. Es ist natürlich gut, dass heute auch die Kleinbauern und andere politische Strömungen zu Wort kommen. Wir haben in dem Liberalisierungsprozess viele Rechte und Chancen verloren, jetzt dürfen wir diesem Regelwerk nicht weiter entgegenkommen. Statt dessen müssen wir in den Verhandlungen in Nairobi darauf drängen, wieder Boden gutzumachen.

In Deutschland wird meist nur beklagt, dass die WTO-Verhandlungen nicht vorankommen. Wo liegt aus Ihrer Sicht das Problem?

Unsere Landwirte fragen sich beispielsweise, warum sie ständig Importen zu Dumpingpreisen aus der Europäischen Union und den USA ausgesetzt sind. Das führt dazu, dass viele afrikanische Staaten die Ernährungssicherheit der Bevölkerung nicht mehr garantieren können. Die WTO-Regeln erschweren es sogar, Lebensmittelreserven für Notfälle oder für die Ärmsten anzulegen. Der Mangel an Nahrungsmitteln ist auch einer der Gründe für interne Konflikte mit all ihren Folgen. Für mich sind einige WTO-Regeln ein Angriff auf unsere Souveränität und können den inneren Frieden bedrohen. Unter diesen Umständen ist es besser für Afrika oder den ganzen Süden, wenn die WTO in Nairobi dieses Welthandelssystem nicht vertieft.

Wäre es also besser, wenn es die WTO gar nicht gäbe?

Natürlich wäre es besser, wenn wir die Uhr zurückdrehen können. Doch wenn es dieses multilaterale System nicht gäbe, würden die vielen bi- und plurinationalen Freihandelsabkommen wie TTIP oder TPP eine noch größere Rolle spielen. Und die Regeln dieser Abkommen entsprechen meist noch mehr den Interessen der Stärkeren.

Die Industriestaaten drohen in Nairobi, die 2001 gestartete Doha-Verhandlungsrunde zu beerdigen, sollten nicht neue Themen wie die Liberalisierung von Investitionen in die Agenda aufgenommen werden. Wieso sind Entwicklungs- und Schwellenländer strikt dagegen?

Der Beschluss in Doha, eine Entwicklungsrunde einzuläuten, die insbesondere die Interessen der Länder des Südens berücksichtigen sollte, war vielleicht der einzige Lichtblick in der WTO-Geschichte. Auch in Afrika hat dieser Ansatz einigen Optimismus ausgelöst. Aber in all den Jahren ist nichts Richtungsweisendes oder Positives in Sachen Entwicklung beschlossen worden. Ich verstehe durchaus, dass Länder im Norden den Welthandel weiter stärken wollen. Aber sie wollen nicht sehen, dass dieser keinen Beitrag zur Entwicklung der ärmeren Länder darstellt.

Warum ist das so?

Der Süden, die am wenigsten entwickelten Länder, sind die Verlierer bei diesem Tauziehen. Es ist eine Schande, dass jetzt neue Bereiche verhandelt werden sollen, wo doch schon bei den bisherigen Doha-Themen wie dem Abbau der Agrarsubventionen nichts Verbindliches erreicht worden ist. Ich bin gegen jeden Fortschritt bei der WTO-Konferenz, sofern es nicht um Maßnahmen geht, die die Benachteiligung der Länder des Südens im weltweiten Handel mindern. Unsere Bilanz ist eben nach wie vor negativ: Wir exportieren Rohstoffe in den Norden und bekommen dafür nur einen geringen Gegenwert zurück.

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