Wiedergutmachung nicht gut genug

Wer bei Bauprojekten Natur zerstört, muss Ausgleich schaffen - das geschieht oft nicht ausreichend, sagen Experten

  • Lesedauer: 3 Min.
Wer baut, muss Umweltschäden ausgleichen. Berlin trägt diese Regelung vor allem aufgehübschte Parks ein. Umweltschützern ist das nicht genug.

Größere und schönere Parks sind nach Ansicht von Umweltschützern keine ausreichende Entschädigung für große Bauvorhaben in Berlin. In der Hauptstadt würden oft Naherholungsgebiete ausgebaut, um Umweltschäden durch neue Gebäude wieder gutzumachen, sagte Andreas Faensen-Thiebes von der Umweltorganisation BUND. Laut Gesetz aber müsse der konkrete Schaden ausgeglichen werden.

Wer baut und dadurch Natur zerstört, ist in Deutschland verpflichtet, ein möglichst gleichwertiges Stück Natur als Ersatz zu schaffen. Es sollte dieselben Umweltfunktionen erfüllen: etwa seltenen Tieren Lebensraum bieten, Regenwasser aufnehmen oder die Luftzirkulation verbessern.

Am Stadtrand kann das durch großflächige Projekte geschehen, wie rund um den neuen Hauptstadtflughafen. Auf einem rund 500 Hektar großen »grünen Band« rund um den Neubau sollen die Lebensbedingungen für Pflanzen und Tiere verbessert werden, wie der Sprecher des Flughafens mitteilte. Für jeden im Zuge des Flughafenbaus gefällten Baum soll ein neuer gepflanzt werden.

Im Inneren der Hauptstadt ist es dagegen schwieriger, Ausgleich zu schaffen, wie Faensen-Thiebes einräumt. Schließlich sei Berlin bereits dicht bebaut. »Wenn ich Boden versiegele, müsste ich theoretisch an einer anderen Stelle Boden entsiegeln«, erklärte er. »Aber welches Haus will ich abreißen? Welchen Parkplatz renaturieren?«

Im Jahr 2011 waren laut Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt rund 33 Prozent der Flächen versiegelt. Daher kommt in Berlin ein Punktesystem zum Einsatz. Für Schäden gibt es Punktabzug. Um genau diesen Punktwert müssen die Bauherren an anderer Stelle Natur aufwerten. Das ist in vielen Parks passiert: im Gleisdreieckpark, im Park auf dem Nordbahnhof und im Spreebogenpark, wie die Stadtentwicklungsverwaltung mitteilte. Sie wurden vergrößert oder verschönert, und zwar als Wiedergutmachung für die Bebauung des Potsdamer Platzes, für Regierungsgebäude, für den Nord-Süd-Tunnel der Bahn oder die Verlängerung der Stadtautobahn A 100.

»Wir finden es überhaupt nicht gut, dass man Erholungswert und Naturschutzaspekte miteinander verrechnet«, bemängelte Umweltschützer Faensen-Thiebes. Zwar sei der Gleisdreieckpark jetzt größer und damit attraktiver für Besucher. Aber die Lebensräume für Tiere hätten sich dort nicht wesentlich verbessert. Es seien vermutlich noch genauso viele Flächen versiegelt wie zuvor. Grundsätzlich halte man beim BUND die sogenannte Eingriffsregelung zwar für gut. »Wir sind aber dafür, dass sie ernster genommen wird und dass man tatsächlich nur eingreift, wenn man ausgleichen kann.«

Berliner Unternehmen halten die Regelung dagegen für zu streng. Nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) würden die Firmen am liebsten die eigenen Gelände aufwerten. »Hierzu erhalten sie häufig jedoch leider nicht die Erlaubnis«, erklärte Sprecher Leif Erichsen.

Als allerletzte Option können Unternehmen Geld als Ersatz für ihre Bauprojekte zahlen. Das kommt aber laut Stadtentwicklungsverwaltung selten vor. Rund 140 000 Euro aus solchen Zahlungen lägen derzeit in der Kasse. dpa

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