Der Zusatzbeitrag steigt

Krankenkasse, Gesundheit und Pflege

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Viele gesetzlich Krankenversicherte müssen 2016 höhere Beiträge aufbringen. Denn der Zusatzbeitrag, der allein von Arbeitnehmern zu tragen ist, steigt von 0,9 auf mindestens 1,1 Prozent. Damit liegt der durchschnittliche Beitrag bei 15,7 Prozent des Bruttolohns.

Seit 2015 besteht der Krankenkassenbeitrag aus dem Sockelbeitrag von 14,6 Prozent, an dem sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu gleichen Teilen beteiligen, und dem je nach Kasse unterschiedlich hohen Zusatzbeitrag. Diesen Zusatzbeitrag kann jede Kasse eigenständig festlegen. Einige wenige Krankenkassen verzichteten bislang darauf. Bei anderen liegt er schon jetzt bei 1,2 Prozent und mehr. So verlangt die DAK ab Januar statt bisher 0,6 nunmehr 1,5 Prozent - das sind 16,1 Prozent vom Bruttoeinkommen. Nach Schätzungen der Kassen werden die Beiträge bis 2020 um jährlich durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte weiter ansteigen.

Angesichts der erhebliche Unterschiede wächst die Wahrscheinlichkeit des Ausstiegs aus einer teuren Kasse. Erheben Krankenkassen den zusätzlichen Beitrag erstmals oder wollen sie ihn anheben, dann müssen sie ihre Mitglieder vorab in einem gesonderten Schreiben auf das Recht zur Sonderkündigung sowie auf die Höhe des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes hinweisen.

Neu ist allerdings: Höhere Freibeträge schonen ab 1. Januar 2016 den Geldbeutel bei den üblichen Zuzahlungen zu Rezepten und therapeutischen Behandlungen. Von den jährlichen Bruttoeinnahmen können dann für den im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner 5229 Euro (bisher 5103 Euro) abgezogen werden. Der Kinderfreibetrag wird von bisher 7152 Euro auf 7248 Euro für jedes Kind angehoben.

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Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung müssen seit 2004 Zuzahlungen zu ärztlichen Verordnungen leisten (ausgenommen sind Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr). Dabei hat der Gesetzgeber allerdings eine Belastungsgrenze von 2 Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen als Deckel festgelegt (bei chronisch Kranken 1 Prozent). Wird dieses Limit überschritten, ist der Versicherte von weiteren Zuzahlungen befreit.

Tarifwechsel für privat Krankenversicherte

Wer privat krankenversichert ist, soll bei seiner Versicherung künftig einfacher in einen anderen Tarif wechseln können. Bereits 2014 hat der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) einen Leitfaden auf den Weg gebracht, der es Versicherten erleichtern soll, in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Ab 1. Januar 2016 verpflichten sich die im PKV organisierten Versicherer, diese Leitlinien verbindlich einzuführen. Die Leitlinien haben bislang 25 Versicherer anerkannt.

Nach dem Versicherungsvertragsgesetz haben Kunden einer privaten Krankenversicherung stets das Recht, bei ihrem Anbieter in einen anderen Tarif zu wechseln. In der Praxis allerdings scheuten sich Versicherer oftmals nicht, allerlei Hürden aufzustellen: Wer wechseln wollte, wurde oft hingehalten und mit dem Hinweis auf vermeintliche Verschlechterungen abgeschreckt. Die nun verbindliche Einführung des Leitfadens soll ab 2016 mehr Verbraucherschutz gewährleisten.

So ist zum Beispiel vorgesehen, Wechselanfragen innerhalb von 15 Arbeitstagen zu beantworten, dem Versicherten möglichst viele Tarifmöglichkeiten aufzuzeigen und diejenigen vorab auszuwählen, die im Einzelfall am besten geeignet sind. Eine eventuell erforderliche erneute Risikoprüfung soll unverzüglich erfolgen.

Die Rückstellungen fürs Alter, die dazu dienen sollen, die in späteren Jahren häufig extrem steigenden Beiträge abzufedern, werden in der Regel mitgenommen, wenn der Versicherte bei seiner Assekuranz intern in einen anderen Tarif wechselt.

Außerdem verpflichten sich die im PKV organisierten Versicherer, die Grundsätze verbindlich anzuerkennen, wenn der sogenannte Ombudsmann eingeschaltet wird. Im Streitfall ermöglicht diese Regelung den Kunden somit eine Schlichtung auch außerhalb des Gerichtssaals.

Ärztliche Diagnose: Recht auf zweite Meinung

Bei bestimmten, planbaren Eingriffen haben Patienten ab dem 1. Januar 2016 einen gesetzlichen Anspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung. Das Recht soll vor allen Dingen Krankheitsbilder umfassen, bei denen die Gefahr einer unnötigen Operation besteht. Auch Krankenkassen können darüber hinaus in ihren Satzungen Angebote zur Zweitmeinung festlegen.

Indem sie einen weiteren Arzt nach seiner Meinung fragen, sollen sich Patienten in Zukunft darauf verlassen können, dass nur operiert wird, wenn es medizinisch geboten ist. Das Gesetz sieht vor, dass der Arzt, der den Eingriff empfiehlt, den Patienten über sein Recht auf die zweite Meinung informiert und auch auf Listen mit möglichen Zweitgutachtern bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder der Landeskrankenhausgesellschaft hinweisen muss.

Diese Aufklärung sollte mindestens zehn Tage vor dem Eingriff erfolgen; dann hat der Versicherte noch ausreichend Zeit, um zu entscheiden, ob er erst noch eine Zweitmeinung einholen will.

Eine Zweitmeinung dürfen ausschließlich Ärzte abgeben, die für die jeweilige Krankheit die vom Gemeinsamen Bundesausschuss definierten fachlichen Kriterien erfüllen.

Facharzttermine künftig binnen vier Wochen

Gesetzlich Krankenversicherte haben künftig einen Anspruch auf einen zeitnahen Termin beim Facharzt. Was das genau heißt, steht im neuen GKV-Versorgungsstärkungsgesetz. Ab 23. Januar 2016 sollen neu eingerichtete Terminservicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen, gegebenenfalls in Kooperation mit den Krankenkassen, allen gesetzlich Versicherten zu ihrem Recht verhelfen.

Wer sich dort hinwendet, bekommt innerhalb einer Woche einen Termin beim Orthopäden, Röntgenfacharzt oder Neurologen mitgeteilt. Die Wartezeit auf diesen Termin darf vier Wochen nicht überschreiten. Gelingt der Terminservicestelle die Einhaltung dieser maximalen Frist nicht, muss sie dem Patienten eine Untersuchung in einem Krankenhaus ermöglichen.

Allerdings gilt dies nicht uneingeschränkt: So berechtigen verschiebbare Routineuntersuchungen sowie Bagatellerkrankungen nicht zu einem raschen Termin. In diesen Fällen kann ein Besuch beim Facharzt in angemessener Zukunft vermittelt werden.

Patienten benötigen eine Überweisung zu dem jeweiligen Facharzt, wenn sie angesichts von langen Wartezeiten die Vermittlung durch die Terminservicestellen in Anspruch nehmen wollen. Ausnahmen hiervon gelten nur beim Besuch von Augen- und Frauenarzt.

Wichtig ist der Hinweis: Wer die Terminservicestelle seiner Krankenversicherung um eine Facharztvermittlung bittet, verzichtet auf die freie Arztwahl. Der Patient kann nicht vorgeben, zu welchem Arzt er vermittelt werden möchte. Passt ihm der neue Termin jedoch nicht, ist er nicht verpflichtet, ihn anzunehmen. Auch weiterhin ist der Besuch beim Wunscharzt über die reguläre Terminvergabe in der Praxis möglich.

Mehr Prävention per Gesetz ab Anfang 2016

In Kraft getreten ist es bereits im Juli 2015, doch wirksam werden einige Regelungen des Präventionsgesetzes erst Anfang 2016. Die konkreten Auswirkungen werden bei den gesetzlich Krankenversicherten erst nach und nach ankommen.

So müssen die gesetzlichen Krankenkassen ab 2016 je Versicherten 7 Euro für die Prävention aufbringen; auch die Pflegekassen sollen 30 Cent je Versicherten für Prävention und Gesundheitsförderung in Pflegeheimen ausgeben.

Für Krankenkassen sind die bislang freiwilligen Bonusprogramme nun verpflichtend; für Versicherte ändert sich dadurch jedoch nichts, weil die Programme für die Kassen bereits Alltag sind.

Früherkennungsuntersuchungen für Erwachsene und Kinder sollen künftig stärker als bisher auch auf individuelle Risiken und Ressourcen eingehen. Dazu sollen Ärzte Präventionsempfehlungen abgeben, an denen sich die Krankenkassen orientieren können. Details dazu will der Gemeinsame Bundesausschuss bis Ende Juli 2016 festlegen.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung - nur ein Formular

Bei Krankschreibungen wird es für gesetzlich Krankenversicherte ab 1. Januar 2016 nur noch ein Formular geben. Während Ärzte bislang für den Bezug von Krankengeld einen »Auszahlschein« für die Krankenkasse und die gelbe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) zur Vorlage beim Arbeitgeber ausgestellt haben, gibt es mit dem Jahreswechsel nur noch ein AU-Formular, das beide Formulare integriert.

Neben dem Arzt, der Krankenkasse und dem Arbeitgeber erhält künftig auch der Patient eine Ausfertigung seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Diesem Durchschlag kann der Patient Fristen und Infos zum Krankengeld entnehmen.

Die zweite Stufe des Pflegestärkungsgesetzes

Mit Jahresbeginn tritt zwar das Zweite Pflegestärkungsgesetzes in Kraft - doch auf den Großteil der Leistungen für Pflegebedürftige und deren Angehörige sowie auf das neue System der Begutachtung wird es sich erst ab Anfang 2017 auswirken. Denn erst ab 1. Januar 2017 wird die neue Definition von Pflegebedürftigkeit mit fünf Pflegegraden anstelle der bislang drei Pflegestufen angewandt.

Bisher orientiert sich die Pflegebedürftigkeit vor allem an körperlichen Einschränkungen und wird deshalb den Menschen mit kognitiven oder psychischen Beeinträchtigungen kaum gerecht. In Zukunft werden sowohl der Verlust körperlicher und kognitiver Fähigkeiten als auch psychische Erkrankungen gleichermaßen erfasst und bei der Beurteilung und Einstufung in einen Pflegegrad berücksichtigt. Demenzkranke, die bislang die sogenannte Pflegestufe 0 haben, werden ab 2017 regulär in das System der Pflegeversicherung aufgenommen.

Wichtig ist: Wer bis zum 31. Dezember 2016 als pflegebedürftig anerkannt ist, wird zum 1. Januar 2017 automatisch in einen der neuen Pflegegrade übergeleitet und darüber schriftlich von seiner Pflegekasse informiert. Ein Antrag muss nicht gestellt werden. Ausgeschlossen ist, dass jemand durch die Überleitung schlechter gestellt wird als zuvor und Leistungen reduziert werden.

Wer ab 1. Januar 2017 pflegebedürftig wird, wird aufgrund des neuen Systems begutachtet und in einen Pflegegrad eingestuft.

Ab Januar 2016 können Pflegebedürftige und deren Angehörige von einer besseren Beratung profitieren: So benennen Pflegekassen feste Ansprechpartner, die unterstützen und helfen, den Antrag zu stellen. Zudem haben auch pflegende Angehörige einen Anspruch auf Beratung, der bislang nur den Pflegebedürftigen selbst vorbehalten war.

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