Ozean mit Zukunft?

Das Wissenschaftsjahr 2016 widmet sich den Meeren mit Projekten zur Müllbeseitigung, zu Tiefseerohstoffen und zur Versauerung

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Die Weltmeere galten den Menschen jahrtausendelang als unerschöpfliche Quelle von Nahrung wie auch als unendliche Müllhalde. Erst zurückgehende Fischfänge und giftige Algenblüten haben vielen klargemacht, dass die Ozeane trotz ihrer riesigen Ausmaße nicht unendlich sind. Selbst eine relativ junge Erfindung wie die Kunststoffe ist da längst zu einem ernsten Problem geworden: Leere Kunststoffflaschen, alte Fischernetze und Plastiktüten - bis zu 30 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle landen jedes Jahr in den Ozeanen, schätzt das Umweltbundesamt. Doch an der Oberfläche treibt nur ein Bruchteil davon. Zerkleinert zu Mikroplastik sinkt es Richtung Meeresgrund, wird von Fischen und anderen Meerestieren aufgenommen - und kann so auch wieder auf unseren Tellern landen. Wissenschaftler fordern einen radikalen Wandel im Umgang mit Plastik.

Industrieabwässer, Ölkatastrophen, Dünger aus der Landwirtschaft - auch das Bundesforschungsministerium (BMBF) widmet sich den Problemen der Meere und stellt das Wissenschaftsjahr 2016 unter das Motto »Unsere Ozeane - Deine Zukunft«. Bei verschiedenen Veranstaltungen wie Aktionstagen oder Vorlesungsreihen an Universitäten soll der Stand der Forschung zusammengetragen und die Bedeutung der Ozeane für das Leben der Menschen herausgestellt werden. Ein wichtiger Punkt ist dabei die zunehmende Belastung der Meere durch Mikroplastik.

Als Mikroplastik gelten winzige Partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Sie entstehen zum einen, weil der Plastikmüll mit der Zeit im Wasser zerschrotet oder durch Wellen und UV-Strahlung zerkleinert wird. Die Partikel gelangen aber auch auf direktem Weg ins Meer: Feines Plastikgranulat wird häufig in Kosmetikprodukten wie Peelings, Duschgels oder Zahnpasta verwendet. Auch beim Waschen synthetischer Kleidung wird Mikroplastik freigesetzt.

»Mikroplastik ist mittlerweile überall angekommen, sei es in Fischen, Garnelen oder Zooplankton«, erläutert Meeresbiologe Gunnar Gerdts vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) auf Helgoland. Völlig ungeklärt sind dagegen noch die Auswirkungen für den Menschen, wenn er etwa mit Mikroplastik belastete Meeresfrüchte isst. »Wir wissen immer noch nicht, wie gefährlich das ist«, sagt Gerdts. Bislang sei nur in Einzelfällen nachgewiesen worden, dass Mikroplastik in Fischen vom Darm ins Muskelgewebe übergeht. »Ich finde es aber schon bedauerlich genug, dass wir dieses zivilisatorische Überbleibsel überall in der Natur finden«, beklagt der Meeresbiologe.

Zudem haben AWI-Forscher herausgefunden, dass selbst Kläranlagen Mikroplastik kaum zurückhalten. Besonders Fasern wie etwa von Fleecepullovern seien häufig im Wasser gefunden worden, erklärt Gerdts. Der Wissenschaftler bezeichnet die Studie allerdings als Momentaufnahme, der weitere Untersuchungen folgen müssten.

Für Gerdts ist klar: »Es ist besser, etwas gegen die Ursachen zu unternehmen und nicht erst, wenn das Mikroplastik im Gewässer ankommt.« Zum einen müssten vermehrt Kunststoffe eingesetzt werden, die biologisch abbaubar seien. Zum anderen liege die Lösung in einem radikalen Wandel des Konsumverhaltens.

Doch der Plastikmüll ist letztlich nur ein Problem im Verhältnis Mensch-Ozean. Mit der massiven Zunahme des CO2-Gehalts der Atmosphäre löst sich auch immer mehr davon im Wasser der Weltmeere auf. Das wird dadurch saurer, die Lebensbedingungen vieler Organismen verändern sich. Wie, das wird unter anderem im vom BMBF geförderten Forschungsverbund BIOACID untersucht. Ein weiteres vom Forschungsministerium unterstütztes Verbundprojekt namens RACE erforscht die Zusammenhänge zwischen der regionalen Wasserzirkulation im Atlantik und dem globalen Wandel. Gefördert wird auch die Untersuchung möglicher Auswirkungen des Abbaus von Rohstoffen am Meeresgrund. dpa/nd

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