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Politische Vorsatz-Abstinenz

Sieben Tage, sieben Nächte: Gabriele Oertel wünscht sich, dass die Politiker auch mal gute Vorsätze haben

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 3 Min.

Na, liebe Leserinnen und Leser, haben Sie das neue Jahr wieder mit guten Vorsätzen begonnen? Oder haben Sie die schon am zweiten Morgen wieder vergessen bzw. ad acta gelegt? Doch schon wieder nach der Zigarette gegriffen oder in die Keksdose gelangt? Es gibt Schlimmeres! Schon Goethe wusste: »Gut ist der Vorsatz, aber die Erfüllung schwer.« Immerhin haben Sie zumindest für einen sentimentalen Augenblick eine Veränderung ins Auge gefasst - und damit bewiesen, dass Sie sehr wohl um Ihre Defizite wissen.

Derlei ist in der Politik nicht unbedingt die Norm. Oder haben Sie schon einmal einen Vertreter von welcher Partei auch immer sagen hören: Ich will im Wahlkampf nicht mehr versprechen, was ich nicht halten kann? Oder: Ich will nicht mehr so tun, als ob ich alles weiß, ich will nicht mehr nur meine Eitelkeiten pflegen, ich will fair sein gegenüber der politischen Konkurrenz? Solcherart Einsicht in eigene Unzulänglichkeit und ehrliches Bekenntnis gehört nicht in das Berufsprofil der meisten sogenannten Volksvertreter. Dabei wusste schon George Bernard Show: »Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert.« Vielleicht ist die politische Vorsatz-Abstinenz ja der Angst genau davor geschuldet.

Dabei wäre gerade nach einem Jahr, wie dem vergangenen - Kriege, Krisen, Konfrontationen -, genug Anlass, ein Umsteuern zumindest zu erwägen. Aber wetten? Nächste Woche geht der gleiche Zinnober weiter, den wir bis zum Abwinken aus der Geschichte der Großen Koalition kennen - und dürfte ob der im März bevorstehenden drei Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt sogar noch skurriler werden.

Die CSU wird in Wildbad Kreuth auf den Putz hauen und in der Flüchtlingsfrage die nächste Eskalationsstufe ihrer inhumanen Forderungen schalten. Aus der CDU gibt es dafür nur mühsam verborgene Sympathiebekundungen, aber auch Bedenken mit Rücksicht auf die Kanzlerin. Und die SPD? Die hat schon vor Jahresfrist eine härtere Gangart innerhalb des Regierungsbündnisses angekündigt - ohne Herbert Wehner im Hinterkopf zu haben: »Wer sich im alten Jahr nicht getraut hat, wird auch dem neuen Jahr nicht trauen.« Die Genossen werden sich also - so sehr die Klügeren unter ihnen vor der endgültigen Selbstdemontage auch warnen - ersatzweise wieder vorrangig mit sich selbst beschäftigen.

Es müsste eben doch einen Zwang für die Regierenden (wie auch für die ziemlich handzahme Opposition) geben, sich zumindest zu jedem Jahresstart mit guten Vorsätzen zu beschäftigen. Womöglich kämen sogar alle gemeinsam auf Georg Christoph Lichtenberg: »Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird, aber soviel kann ich sagen: Es muss anders werden , wenn es gut werden soll.« oer

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