Neues Jahr, altes Chaos - Geflüchtete frieren am LAGeSo

Trotz einzelner Besserungen bleibt die Situation in der Moabiter Registrierstelle kritisch / Czaja erklärt, bei der Auszahlung von Taschengeld entgegenzukommen

  • Violetta Kuhn
  • Lesedauer: 3 Min.
Am LAGeSo drängen sich zu Jahresbeginn wieder Hunderte Flüchtlinge. Wer im Zelt auf seinen Termin warten darf, kann sich glücklich schätzen. Viele müssen weiterhin ungeschützt bei Minusgraden ausharren.

Sie ziehen den Kopf ein, schlingen ihre Decken eng um sich und treten von einem Fuß auf den anderen - doch bei minus elf Grad und schneidendem Wind hilft das nichts: Flüchtlinge, die unter freiem Himmel vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) warten, müssen frieren. Im Verpflegungszelt geht am Morgen der wärmende Tee aus. Er ist gefragt in der Kälte.

In den vergangenen Monaten ist das LAGeSo bundesweit zum Symbol für Missstände bei der Betreuung und Versorgung von Geflüchteten geworden. Berliner Politiker haben Besserung gelobt, aber auch darauf hingewiesen, dass die Bundeshauptstadt besonders stark von dem Flüchtlingszuzug betroffen sei. 2015 seien rund 80 000 Geflüchtete nach Berlin gekommen.

Die Neuankömmlinge sind auch im neuen Jahr mit Verwaltungschaos konfrontiert: Nach den Feiertagen hat das LAGeSo am Montag zum ersten Mal wieder regulär um 6.30 Uhr die Arbeit aufgenommen - und wie im vergangenen Jahr warten hier schon frühmorgens wieder mehr Geflüchtete, als das Amt an einem Tag bearbeiten kann.

Hunderte haben es immerhin in die beheizten Wartezelte geschafft. Dicht zusammengedrängt hoffen sie darauf, eine Wartenummer zu ergattern. Andere waren zu spät - Wachleute schieben sie immer wieder von den Eingängen zurück. Auch der vor den Zelten stehende 34-jährige Rami aus Syrien hofft darauf, dass seine Frau heute bei einem Beamten vorsprechen kann - sehr optimistisch gibt er sich aber nicht: »Ich habe gehört, dass der Leiter vom LAGeSo ausgetauscht wurde und dass hier jetzt alles besser werden soll«, sagt er. »Aber ich sehe keinen Unterschied.« Die Behörde bekomme einfach die Schlangen nicht in den Griff. »Ich mache den Mitarbeitern vom LAGeSo keine Vorwürfe«, sagt dagegen Arifan aus dem Kosovo. »Hier sind einfach zu viele Leute.« Trotzdem hoffe er, dass die Lage sich bald bessere.

Ein bisschen gebessert hat sie sich seit Mitte Dezember tatsächlich: Niemand campiert mehr nachts auf dem Bürgersteig vor dem Gelände. Beheizte Zelte sind nun durchgehend geöffnet. Statt durch Schlamm und Pfützen laufen die Flüchtlinge mittlerweile über Matten. Und neu ankommende Geflüchtete werden am LAGeSo im Eilverfahren erfasst und per Bus in Notunterkünfte gebracht.

Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) besucht am Montagmorgen das Gelände. Er betont, es seien wieder neue Mitarbeiter eingestellt worden, Wärmebusse stünden bereit. Und Familien mit Kindern, Kranke sowie Behinderte würden bevorzugt behandelt. »Wir wollen natürlich die Situation auch weiterhin verbessern, daran arbeiten wir jeden Tag«, sagt der Senator. In gewissen Bereichen zeige man zudem Kulanz: Anders als gesetzlich vorgesehen, zahlt Berlin Geflüchteten das Taschengeld derzeit für bis zu drei Monate am Stück aus, erklärt Czaja. Eigentlich dürfte das Geld nur jeweils für einen Monat ausgezahlt werden. Das würde aber bedeuten, dass Flüchtlinge alle vier Wochen erneut ihre Leistungen anstehen müssten. Noch während der Senator spricht, brandet im Zelt hinter ihm Tumult auf. Immer wieder sind durch die Planen Schreie und Johlen zu hören. Mütter schwenken an einer Metallabsperrung ihre Babys, anstatt im Warmen zu warten. Wachmänner blaffen Geflüchtete an. Im Griff haben die Behörden die Lage längst noch nicht. dpa/nd

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