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Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei: Maß voll, Fässer leer

Beschäftigte der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei sind seit 115 Stunden im Streik

Wenn kein Streik ist, werden in der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei 100 000 Flaschen Bier pro Stunde abgefüllt.
Wenn kein Streik ist, werden in der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei 100 000 Flaschen Bier pro Stunde abgefüllt.

In Hohenschönhausen haben die Beschäftigten der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei erneut die Kessel angehalten. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat die Mitarbeiter*innen dazu aufgerufen, von Dienstag, 21 Uhr, bis Mittwoch, 22 Uhr, die Arbeit niederzulegen. Hintergrund sind die laufenden Verhandlungen über einen neuen Haustarifvertrag für die zur Radeberger-Gruppe und damit zum Oetker-Konzern gehörende Brauerei. Der alte Tarifvertrag war am 31. März ausgelaufen.

»Angesichts der blockierten Lohnverhandlungen für die Brauwirtschaft Berlins könnte es zu einem regelrechten Bieraufstand kommen«, teilt die Gewerkschaft mit. Die Radeberger-Gruppe fahre bisher eine harte Front. Die NGG erachtet das letzte Angebot einer Lohnerhöhung von 4,4 Prozent über zwei Jahre für unzureichend. Sie fordert sieben Prozent mehr Lohn innerhalb eines Jahres und für Azubis 150 Euro mehr im Monat.

»Angesichts der blockierten Lohnverhandlungen für die Brauwirtschaft Berlins könnte es zu einem regelrechten Bieraufstand kommen.«

Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten

Wie »nd« berichtete, ist es nicht das erste Mal, dass die Angestellten in den Ausstand treten. Laut NGG sei mittlerweile 115 Stunden gestreikt worden – und es könne sehr zeitnah und länger so weitergehen. »Alle Berliner wissen: Das Wohnen und Leben in der Stadt wird immer unbezahlbarer«, sagt NGG-Landesbezirksleiter Uwe Ledwig. »Wir wollen, dass Berliner Bier auch weiterhin hier gebraut wird.« Die NGG fordert daher ein neues verbessertes Angebot, mit dem die Preissteigerungen ausgeglichen werden können.

Am Standort arbeiten 240 Beschäftigte in der Bierproduktion, 110 in der Auslieferung und weitere 17 in der manuellen Leergutlogistik. Da die beiden letztgenannten Gruppen hinter das Lohnniveau der Brauer*innen zurückfallen, verlangt die NGG für sie eine sogenannte Vorweganhebung beim Entgelt von 50 Euro im Monat.

In vielen Regionen Deutschlands finden unabhängig voneinander zur etwa gleichen Zeit Tarifverhandlungen in der Brauereibranche statt. In Bayern haben sich die Tarifpartner bereits geeinigt. Dort gibt es 3,4 Prozent mehr Lohn seit 1. März 2025 und 3,1 Prozent mehr ab 1. März 2026. Der Ecklohn, also der Vergleichslohn von Facharbeiter*innen der mittleren Lohngruppe, liegt in Berlin-Hohenschönhausen bei 25,17 Euro pro Stunde. In der Becks-Brauerei in Bremen werden 27,10 Euro die Stunde bezahlt. Da sich die Wochenarbeitszeit in der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei aber auf 32 Stunden beläuft, liegt der Monatsverdienst der NGG zufolge etwa 270 Euro unterhalb der Bestbezahler in Westdeutschland.

Der Standort läuft laut NGG wirtschaftlich gut und gehört zu den besten unter den zwölf Brauereien der Radeberger-Gruppe. Entsprechend hatte es hier in der Vergangenheit gute Tarifabschlüsse gegeben. Gewerkschaftssekretär Ledwig hatte erklärt, dass die Beschäftigten auch weiterhin etwas vom Reichtum der Oetkers abhaben wollen. Wie im Jahr zuvor war im Gesamtkonzern auch 2024 der Umsatz der Radeberger-Gruppe leicht gestiegen.

Nach Angaben der Brauerei werden in Hohenschönhausen stündlich 100 000 Flaschen der Marken Berliner Kindl, Berliner Pilsner und Schultheiss abgefüllt. Die NGG rät »Grill- und Kneipenfans«, sich zu bevorraten.

Tobias Teubner, Pressesprecher der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei, erklärte mit Blick auf Kund*innen und Konsument*innen: »Unsere Vollgutbestände sind ausreichend hoch, sodass wir bei unseren Berliner Biermarken auch bei einem Warnstreik einer Teilbelegschaft vollumfänglich lieferfähig bleiben, sowohl bei Flaschen- als auch Fassbier.« Um die laufenden Gespräche weiterhin vertrauensvoll führen zu können und zu einem »beidseitig vertretbaren Ergebnis zu gelangen«, wollte Teubner die laufende Tarifrunde nicht weiter kommentieren.

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