FEZ in Berlin: Ein Lärchenholz-Palast für Kinder

Das Freizeit- und Erholungszentrum in Treptow-Köpenick gilt als größtes Kinder- und Jugendzentrum Europas und steht jetzt unter Denkmalschutz

  • Danuta Schmidt
  • Lesedauer: 6 Min.
Das FEZ wurde 1979 als Pionierpalast »Ernst Thälmann« eröffnet.
Das FEZ wurde 1979 als Pionierpalast »Ernst Thälmann« eröffnet.

Treptow-Köpenick kann sich über ein geschütztes Zeugnis der Ost-Moderne mehr freuen. Das Freizeit- und Erholungszentrum (FEZ) in der Wuhlheide steht jetzt unter Denkmalschutz. Es gehört zu den Prestige-Kulturhaus-Bauten der DDR und war das größte Pionierhaus des Landes. Geschützt wird der Ort nicht nur bauhistorisch. »Das FEZ ist als öffentliches Gebäude zu sehen im Zusammenhang mit dem Friedrichstadtpalast und dem Palast der Republik«, so Landeskonservator Christoph Rauhut auf einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Form, der Grundriss mit Sechseck-Struktur, auch die Lärchenholz-Fassade in Anlehnung an finnische Architektur, der Baustoff Holz als Novum, die Sichtbeziehungen, die Innen und Außen verbinden, seien beispielgebend, so Rauhut. Aber das FEZ ist noch viel mehr.

Die Redner*innen haben teilweise persönliche Erinnerungen an das FEZ. »Nicht jedes Berliner Kind hat einen Garten« sagt Bausenator Christian Gaebler (SPD). Daher sei das FEZ mit seinen vielfältigen Freiräumen und Freizeitflächen so wichtig. Er selbst war zu DDR-Zeiten als Westberliner Kind mal mit der Parkeisenbahn unterwegs.

»Als 15-Jähriger ging ich in den Pionierpalast in der Wuhlheide und wollte mal schauen, ob ich hier proben könne mit einer Band. Es hieß damals: ›Klar, mach doch.‹ Und so probten wir drei Jahre immer mittwochs«, sagt Chris Berghäuser, Geschäftsführer der Landesmusikakademie, die ihren Sitz im FEZ hat. Der Proberaum war kostenlos. Später studierte Berghäuser Klavier. Sein Bruder habe eine ähnliche Geschichte, berichtet Berghäuser. Im einzigartigen Schwimmbecken für Modellboote habe er Boote gebaut und ins Wasser gelassen – und später dann Schiffsbau studiert.

Früh Spuren legen, sich ausprobieren, Erfahrungen machen, Talente und Gaben entdecken, inspirieren, Kinder anregen, verantwortlich zu sein, sich etwas zu trauen, das sind die Urideen des ehemaligen Pionierpalastes, der 1979 in der Berliner Wuhlheide feierlich als Pionierpalast »Ernst Thälmann« eröffnet wurde. Das FEZ mit seinen Außenanlagen von 175 000 Quadratmetern ist der größte nicht kommerzielle Ort, der je für Kinder und Jugendliche in Deutschland gebaut wurde, und es gilt heutzutage als das größte gemeinnützige Kinder-, Jugend- und Familienzentrum in Europa. Diesen einmaligen Ort voller Ideen, schwellen- und kostenlos, schuf die DDR, ein Land, das sich Kinderfreundlichkeit auf die Fahne geschrieben hatte.

Ein Blick zurück: 1911 erwarb die Stadt Berlin das Gelände, um einen Volkspark zu errichten. Nach dem Krieg wurden 120 Hektar mit Freilichtbühne, Sportstadion, künstlichem Badesee und Gärtnerei ausgebaut. 1950 wurde hier eine Zeltstadt zum ersten Deutschlandtreffen der Jugend für 20 000 Jugendliche eröffnet. Bereits in dieser Zeit konnten Kinder und Jugendliche mehr als 70 Arbeitsgemeinschaften besuchen. Der Geist dieses Ortes schwebte also bereits 20 Jahre im Raum, bevor von 1976 bis 1979 die Idee eines Pionierpalastes in der Parklandschaft in eine Form gegossen wurde.

Architekt Günter Stahn hatte bereits 1972 einen Wettbewerb für sich entschieden. Stahn war seit 1968 im Experimentalbüro der Bauakademie unter Leitung von Hermann Henselmann und damit geschult im Umgang mit neuen Formen. Mit klaren Linien und modernen Baustoffen schuf der Architekt mit seinem Kollektiv ein zeitloses Meisterwerk der Moderne auf 13 000 Quadratmetern. Stahn konnte sich auch – des Architekten liebste Ausgangssituation – frei entfalten, weil es keine umliegende Bebauung gab. Für Entwurf und Konstruktion des »Multifunktionsbaus« erhielt der Architekt aus Magdeburg den Nationalpreis der DDR.

Auch im Inneren gibt es eine hohe Qualität. Die schwungvolle Treppe führt im Foyer auf die Galerie, auf einen aufwändigen Innenausbau wird verzichtet. Stirnholz-Pflaster betont den Umgang mit natürlichen Baumaterialien. Und auch viele originale Bauteile finden sich: Das Treppengeländer ist mit Ornament-Glas ausgefacht, die figurativen Bodenziegel sind von Hand gebrannt. Beim Wandbild von Peter Sylvester aus tausenden kleinen Mosaiksteinen ging jeder Stein durch Hände, ein Kunstwerk, das heutzutage nicht mehr bezahlbar wäre.

Der Brunnen vor dem Haus, ebenfalls von Günter Stahn, wurde mit Hilfe eines Crowdfunding-Projektes saniert. 480 große und kleine Blätter der stilisierten Blume in der Mitte des Brunnens wurden demontiert und beschriftet, mit einem Glasstrahler gereinigt, geschliffen und poliert. Die Liebe zum Detail hat auch Familiengeschichte: Hans-Joachim Kunsch, Vater des jetzigen Metallbau-Unternehmers Stefan Kunsch fertigte damals die Hülle des Brunnens. 2011 wurde das Haus energetisch saniert. Die Verglasung der Fassade und die Regenentwässerungsanlage für das riesige Flachdach wurden erneuert, jetzt gibt es eine eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach.

Das Bauwerk selbst hat auch einen Lehreffekt. Kinder sehen, wie eine Wand mit Ziegeln gemauert wird, denn die Klinker sind unverputzt. Es gibt verschiedene Bühnen- und Konzertsäle, eine Schwimmhalle, eine Sporthalle, Galerieräume, Werkstatträume. Und nicht zu vergessen ist das »Orbitall« mit dem Raumschiff Sojus und einem Raumflugsimulator. Sigmund Jähn weihte 1979 das Zentrum ein, seither waren 39 Kosmo- und Astronauten hier, verrät Sylvia Reichhardt, Mitarbeiterin des FEZ.

Was ist das FEZ heute? Es ist ein Ort für Bildung und kulturelle Teilhabe mit vielen niedrigschwelligen Angeboten. Hier werden Themen für heute und die Zukunft gemacht. In »FEZitty« können Kinder jedes Jahr Bürgermeister, Banker oder Stadtentwicklungssenatorin spielen, so Falko Liecke, Aufsichtsratsvorsitzender des FEZ. Sie können sich üben in Interviews führen, Walpurgisnacht feiern und sorbische Ostereier bemalen. Hier arbeiten etwa 150 Mitarbeiter, 90 davon sind voll beschäftigt, viele Ehrenamtliche sind aktiv, 40 Mitarbeiter konnten aus der Arbeitslosigkeit geholt werde.

Jeden Tag kommen Schulklassen, seit 46 Jahren. Schützenswert ist somit auch das Nutzungskonzept des Ortes. Idee und Ziel waren die künstlerisch-ästhetische Bildung, im Fokus standen vielseitige, oft schöpferische Freizeitaktivitäten. Kostenlose AGs wie Fotografie, Zeichnen, Keramik, Textilgestaltung, eine Druckgrafik-Werkstatt, Kabinette für Naturwissenschaften und ein biologisches Zentrum sind nur wenige Beispiele, die verdeutlichen, wie hoch Kreativität und Bildung in der Freizeit im Kurs waren.

Dass hier, und man liest das hier auch heraus, ein Genius Loci entstanden ist, spielte auf der Pressekonferenz keine Rolle. Stattdessen wurde einmal zu viel davon gesprochen, dass die DDR auch ideologische Absichten hatte mit diesem Bauwerk. Wenn man das positiv sieht, könnte man sagen: Die DDR hat sich für ihren Nachwuchs stark gemacht und hatte eine Idee von der Zukunft. Eine humanitäre Idee. Im Internet steht eine feine Erklärung: Als Genius Loci bezeichnet man den einzigartigen, innewohnenden Charakter eines Ortes, der eine besondere Atmosphäre hervorbringt. Mit der Denkmalschutzplakette wird auch dieser geschützt.

Das FEZ gilt als das größte Familienzentrum Europas.

-
- Anzeige -

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.

- Anzeige -
- Anzeige -