Überall KZs

Wie Rechte die Singularität der NS-Verbrechen rhetorisch auszuhöhlen versuchen

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die KZ-Vergleiche von Rechts folgen oft einem perfiden Muster: Nicht für politische Gegner werden sie gefordert – sondern als vermeintlich drohendes Mittel gegen Rechtsdenkende dargestellt. Das verharmlost NS-Verbrechen.

Für Akif Pirincci war seine Rede bei Pegida im Oktober 2015 ein dreifacher Triumph: Bundesweit hatte der Autor, dessen erfolgreiche Zeiten schon lange zurückliegen, für Aufmerksamkeit gesorgt. Er hatte einem vermeintlich »politisch korrekten Meinungskomplex« so richtig die Meinung gegeigt und dabei außerdem noch eine große Zahl von Journalisten düpiert, die derart in einer »Empörungsmaschinerie« steckten, dass kaum noch einer hinhörte, was Pirincci da genau gesagt hatte. Das Stichwort »KZ« hatte gereicht.

Diese wünschte er sich nämlich nicht, wie viele vorschnell herausgehört haben wollten, für seine politischen Gegner zurück – der Vergleich läuft viel perfider. »KZs« als Chiffre für die physische Vernichtung werden von Rechts als potenzielle Mittel der politischen Gegner herbeifantasiert – wenn Pirincci deren Einrichtung für »Asylkritiker« suggeriert oder nun ein evangelischer Pfarrer aus Sachsen für Christen schwere Zeiten heraufziehen sieht, die von ihnen Feuerfestigkeit oder sogar die Fähigkeit erforderten, KZs auszuhalten – wegen der Zuwanderung vor allem von Muslimen.

Ein oft in sich rechtsintellektuell gebenden Kreisen wiederholtes Zitat von Ignazio Silone lautet: »Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‘Ich bin der Faschismus.’ Nein, er wird sagen: ‘Ich bin der Antifaschismus.’« Abgesehen davon, dass dieses Zitat nicht einmal sicher belegt ist, läuft eine Begriffsumdeutung und -verwendung von Rechtsaußen so, als ob es bereits wahr sei. Eine Auswahl: Linke werden im rechten Diskurs zu »Linksfaschisten« umetikettiert, die Antifa mit der SA gleichgesetzt. Von dort ist es nur ein kleiner Schritt, Linken oder den jeweils regierenden Konservativen, Liberalen oder Sozialdemokraten einen »Vernichtungswillen« gegen das eigene Volk zu unterstellen, sei es wahlweise durch »Multi-Kulti«, »Überfremdung« oder »Durchmischung« – im Zweifel bis zur Einrichtung von »KZs« für rechts Denkende.

Die verräterische Sprache: Dem politischen Gegner werden hierbei Ziele und Methoden unterstellt, die nur das NS-Regime in Deutschland bis ins letzte Extrem anwendete – bis hin zur industriellen Auslöschung von Millionen Menschen. 70 Jahre nach Auschwitz droht so dessen begriffliche Singularität verloren zu gehen – mit der Radikalisierung der Sprache wird die Bedeutung der Begriffe relativiert, wenn ein »Vernichtungskrieg« gegen »das Deutsche« durch die Politik der Bundesregierung suggeriert wird oder durch Zuwanderung von Muslimen den Christen in diesen Land der Feuertod oder KZ-Haft drohe. Zur Erinnerung: Viele Christen litten in den Konzentrationslagern und Kerkern und starben auch dort – unter dem NS-Regime von 1933 bis 1945. Stellvertretend sei der Name Dietrich Bonhoeffer genannt.

Diese Zuspitzung der Sprache ist Ausdruck der Hybris und gleichzeitig apokalyptischer Angst, sei es nun von »besorgten Bürgern« oder fundamentalen Religiösen – die Rechten als Propheten eines angeblich drohenden »Endkampfes« zwischen Kulturen oder Religionen. Dabei ist dann auch jedes Mittel recht – rhetorisch ist dies mit der Umdeutung von politischen Begriffen und der verbalen Relativierung der singulären Nazi-Verbrechen längst im Gange.

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