USA erheben Anklage gegen Volkswagen
Bußgeld wegen manipulierter Abgaswerte bei Diesel-Fahrzeugen kann mehr als 45 Milliarden Dollar betragen
Jens Hermann blickt zuversichtlich auf die kommenden zwölf Monate. »Wir starten hochmotiviert und gut vorbereitet ins neue Jahr«, sagte der Leiter des Volkswagen-Werks in Wolfsburg am Dienstag, nachdem tags zuvor nach Umbau- und Instandhaltungsmaßnahmen die Produktion wieder angefahren war. Schließlich hat man vergangenes Jahr mit mehr als 815 000 montierten Fahrzeugen das zweithöchste Produktionsergebnis der vergangenen 20 Jahre erzielt.
Wäre da nicht die Sache mit den manipulierten Abgaswerten. Und die wird den Konzern vermutlich teuer zu stehen kommen. Die US-Behörden haben am Montagabend in Detroit offiziell Anklage gegen Volkswagen wegen Betrugs und Umweltverstößen eingereicht. In fast 600 000 Fahrzeugen soll der Hersteller eine illegale Software eingebaut haben, um die Abgaswerte bei Emissionstest künstlich kleinzurechnen.
Betroffen sind neben der Marke VW auch Modelle von Porsche und Audi wie der Audi A8 oder der Porsche Cayenne. Es handelt sich um Pkw der Jahrgänge 2009 bis 2016. Laut Anklageschrift sollen pro manipuliertem Fahrzeug zwischen 32 500 und 37 500 US-Dollar Strafe fällig werden. Hinzu kommt eine Strafe pro eingebauter Software und - unabhängig von der Fahrzeuganzahl - bis zu 37 500 Dollar für jeden einzelnen Tag der Verstöße. Damit könnte sich das Bußgeld auf bis zu 45 Milliarden Dollar (41,8 Milliarden Euro) belaufen.
Zudem haben in den USA Privatpersonen mehr als 500 Zivilklagen gegen Volkswagen eingereicht. Und der Skandal beschränkt sich bei weitem nicht allein auf die Vereinigten Staaten. So musste der Konzern zugeben, dass weltweit in fast elf Millionen Fahrzeugen eine manipulierte Software steckt. In Deutschland etwa sind 2,8 Millionen Autos betroffen.
»Wir unternehmen einen wichtigen Schritt, um die öffentliche Gesundheit zu schützen, indem wir versuchen, Volkswagen für jegliche widerrechtliche Luftverschmutzung zur Rechnung zu ziehen«, sagte Cynthia Giles von der Umweltbehörde EPA. Das Amt hatte Mitte September vergangenen Jahres die Verstöße von Volkswagen gegen das US-Bundesgesetz zur Reinhaltung der Luft (Clean Air Act) öffentlich gemacht und die Anklage in Auftrag gegeben. Demnach hatten die betroffenen Autos bei Labortests die US-Emissionsstandards eingehalten. Im normalen Straßenbetrieb aber sollen die Emissionswerte des gesundheitsschädlichen Stickoxids (NOx) bis zu 40-fach erhöht gewesen sein.
Die Anklage wirft dem Wolfsburger Konzern vor, die Ermittlungen gehemmt zu haben durch »das Vorenthalten von Material und irreführende Informationen«. So hatte der Autobauer zunächst bestritten, dass neben 2-Liter-Dieselmotoren auch 3-Liter-Motoren, wie sie vor allem in größeren Modellen wie dem VW Touareg oder dem Audi A8 verbaut sind, von den Manipulationen betroffen waren.
Beim Konzern gab man sich bezüglich der Anklage zunächst reserviert. Ein VW-Konzernsprecher sagte am Dienstag, das Unternehmen sei in ständigem Austausch mit den Behörden. VW prüfe die Klage im Detail. Im Rahmen des Skandals musste bereits Martin Winterkorn - einst bestbezahltester Manager in Deutschland - seinen Chefposten in Wolfsburg räumen, andere Manager folgten. Doch nicht allein die Topmanager müssen die Zeche für den von ihnen verantworteten Skandal zahlen: Besonders Leiharbeiter zittern bei Volkswagen derzeit um ihren Job. 2016 ist also kein gutes Jahr für die Wolfsburger Angestellten. mit Agenturen
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