Oromo wehren sich gegen »Masterplan«

Die Entwicklungsagenda der äthiopischen Regierung provoziert Widerstand und fordert Tote

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 2 Min.
Der »Masterplan« für Addis Abeba stößt auf erbitterten Widerstand der Oromo. 140 Tote in den vergangenen zwei Monaten sagt Human Rights Watch, Äthiopiens Regierung spricht von fünf.

Sie sind das zahlenmäßig größte Volk Äthiopiens: die Oromo. Maßgeblichen politischen Einfluss hat ihnen das noch nie gebracht, jahrhundertelang stellten die Amharen Könige und Regierungschefs, und nach dem Sturz der Diktatur von Mengistu Haile Mariam 1991 übernahmen die Tigrayer um Meles Zenawi von der Volksbefreiungsfront von Tigray die Geschäfte. Dass der auf den 2012 verstorbenen Zenawi als Ministerpräsident folgende Hailemariam Desalegn den Wolaytta angehört, einem kleinem Volk aus dem Süden, ist zwar interessant, hat aber an dem Machtgefüge in Addis Abeba nichts Wesentliches verändert: Die Tigrayer dominieren, die Amharen trauern ihrem Einflussverlust nach und die größtenteils um die Hauptstadt siedelnden Oromo, die grob ein Drittel der 100 Millionen Menschen stellen, rangieren weiter unter ferner liefen.

Proteste und Widerstand von Oromo gegenüber Diskriminierung in Wirtschaft und Gesellschaft gibt es seit vielen Jahrzehnten, der Wunsch nach einem eigenen Staat ist ähnlich wie bei den Kurden ausgeprägt. Die aktuellen Auseinandersetzungen zwischen Oromo und staatlichen Sicherheitsorgangen haben indes einen eindeutigen Ausgangspunkt: den »Masterplan« für Addis Abeba. Danach soll Äthiopiens Hauptstadt mit einigen Oromo-Gebieten im Umland »verbunden« werden. So soll das Stadtgebiet der Hauptstadt von derzeit 54 000 Hektar auf 1,1 Millionen Hektar Land ausgeweitet werden. Die Gebietsreform trifft vor allem die Oromo-Bauern in einem Umkreis von mehr als 120 Kilometern um die Hauptstadt. Zehntausende Bauern fürchten ihre Vertreibung aufgrund neuer Siedlungs- und Investitionsprojekte. Viele Bauern haben bereits ihren Lebensunterhalt verloren, nachdem in den vergangenen Jahren in der Umgebung von Addis Abeba gezielt Farmen für den Export von Rosen nach Europa angelegt wurden.

Kritiker sagen, dieser Plan solle nicht - wie die Regierung behaupte - mehr Infrastruktur und Entwicklung bringen, sondern bedrohe die Souveränität der Oromo-Gemeinden und werde die Einheimischen von ihrem Land vertreiben. »Die gesamte Region steht jetzt mehr oder weniger unter Militärverwaltung«, sagt Merera Gudina, Vorsitzender des Oromo Förderalistenkongresses (OFC), einer Oppositionspartei, die sich für die Rechte der Oromo einsetzt. »Tausende Soldaten sind hier stationiert, vor allem an Schulen und Universitäten.«

Äthiopiens Regierung weist eindrucksvolle Wachstumsraten von zehn Prozent vor. Treiber ist vor allem die Landwirtschaft, die 48 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert. Erkauft wurde der Boom allerdings unter anderem mit den Zwangsumsiedlungen ganzer Ortschaften. Denn die Agrarkonzerne aus Indien, China, Saudi-Arabien und Südkorea brauchen Platz.

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