Das Wort Würde

Ingolf Bossenz über die Metamorphose eines theologischen Konstrukts

  • Ingolf Bossenz
  • Lesedauer: 1 Min.

Kritiker der aktuellen Debatte um ein härteres Vorgehen gegen Migranten haben schnell ein allgegenwärtiges Schlagwort zur Hand: die Würde des Menschen, die nun im Gefolge politischer Forderungen in Gefahr sei.

Abgesehen davon, dass bei der tagelangen Verharmlosung und Vertuschung des von zahlreichen Frauen in Köln Erlittenen deren Würde offenbar nicht oberste Priorität hatte: Die Menschenwürde ist und war weder im einen noch im anderen Fall in irgendeiner Weise bedroht. Dieser Begriff klingt nicht nur gewaltig und Ehrfurcht gebietend, er hat es nicht nur in sich, auch der Mensch, jeder Mensch, hat ihn respektive sie in sich.

Die Würde des Menschen gehört zu jenem Teil des jüdisch-christlichen Erbes, auf dessen Grundlage sich das heute weitgehend akzeptierte System der Menschenrechte entfalten konnte. Sie gründet im theologischen Konstrukt des Menschen als gottebenbildlich und ausgestattet mit einer unsterblichen Seele. Diese Würde ist immanent, sie kann weder verliehen noch genommen werden. Weder von einem Staat noch von einem Menschen. Sie ist, wie es im Grundgesetz heißt, »unantastbar«. (Auch als Alibi-Ausdruck.) Da der ohnehin schwer fassbare Begriff der Würde profanisiert und auch banalisiert wurde, wird die aktuelle Debatte mit ihm nicht einfacher. Recht, Gesetz, Lebensart sind in Gefahr. Das ist schlimm genug.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal