Aufstand des Ungeziefers

Meja Mwangi aus Kenia:

  • Manfred Loimeier
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist schon eigenartig: Nach immerhin 36 Jahren erscheint unter dem Titel »Tanz der Kakerlaken« einer der bekanntesten Romane des kenianischen Schriftstellers Meja Mwangi erstmals in deutscher Übersetzung - und das Buch liest sich so aktuell, als wäre es gerade erst geschrieben worden.

Den Schauplatz der Handlung bildet ein heruntergekommenes Mietshaus in Kenias Hauptstadt Nairobi, nahe am gleichnamigen Fluss. Es stinkt, es ist eng, übervölkert und laut - im Haus wie in der Straße wie im ganzen Viertel. Dort lebt mit Dusman Gonzaga die Hauptfigur des Romans, und Dusman verzweifelt an den widrigen Lebensbedingungen. Er arbeitet bei der Stadt, zuerst als Wasseruhrenableser, dann als Parkuhrenwächter. Er möchte versetzt werden, weil ihn die Parkuhren bis in den Traum verfolgen, wird deshalb aber für verrückt gehalten und zum Psychotherapeuten geschickt.

Und dann gibt es in diesem Haus eben noch die Kakerlaken. Sie werden immer mehr, nehmen überhand - und Dusman Gonzaga befürchtet, dass sie eines Tages, mitsamt den ebenso massiv präsenten Ratten, die Herrschaft über das Haus an sich reißen. Dusman plant einen Mietboykott, um eine Sanierung des Hauses zu erreichen, aber dann kommt ihm ein Falschgeldskandal dazwischen, und alles kommt ganz anders.

Meja Mwangi hat die Handlung seines Romans zwischen Komödie und Sozialkritik angesiedelt, und die Kakerlaken, die sich von Müll und Abfällen ernähren, sind selbstverständlich metaphorisch zu sehen. Schließlich stehen auch die menschlichen Bewohner dieses Hauses ganz unten auf der gesellschaftlichen Skala, sind meist kleine Angestellte, Diebe, Schmuggler oder Pfandgut-sammler. Auch sie wuseln durch den Alltag, mühen sich ums Überleben, werden in Polizeirazzien mitunter aus dem Haus gefegt. Denn auch der Boykott, den Dusman plant, ist gleichsam als Putschversuch der politischen Opposition Kenias zu lesen, der natürlich nahezu wirkungslos verhallt.

So ist der Roman »Tanz der Kakerlaken« ein sympathisch-satirisches Porträt nicht nur eines Großstadtslums, sondern auch des zeitgenössischen Kenias. Und dass der Peter Hammer Verlag dieses Buch nach fast 40 Jahren den Lesern in Deutschland zugänglich macht, ist ein großartiges Verdienst. Da sich der Verlag seit Jahren schon um das Gesamtwerk Meja Mwangis kümmert, ist zu erwarten und zu erhoffen, dass es bald noch mehr literarische Schätze aus dessen Frühwerk zu lesen gibt.

Meja Mwangi: Tanz der Kakerlaken. Roman. Aus dem Englischen von Jutta Himmelreich. Peter Hammer Verlag. 284 S., geb., 22 €.

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