Ein Nazi-Koffer, drei Verdächtige

Berliner Landgericht änderte Urteil aus erster Instanz zugunsten von NPD-Mann Schmidtke

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit einem Freispruch für den Berliner NPD-Landesvorsitzenden Sebastian Schmitdtke endete am Mittwoch ein Berufungsverfahren vor dem Landgericht Berlin.

Ein silberner Verkaufskoffer mit verbotenen Nazi-CDs bescherte dem Berliner NPD-Boss Sebastian Schmidtke am Mittwoch einen Freispruch. Der Koffer war am 23. März 2012 bei einer polizeilichen Durchsuchung des »Hexogen«-Militaria-Ladens, dessen Betreiber Schmidtke damals war, beschlagnahmt worden. Das Amtsgericht Tiergarten sah es als erwiesen an, dass die CDs mit volksverhetzendem Inhalt zum Verkauf bestimmt waren. Dafür erhielt er acht Monate Haft auf Bewährung. Schmitdke hatte stets bestritten, dass ihm der Koffer gehört. Dem folgte das Amtsgericht vor zwei Jahren nicht.

Mit seiner Berufung hatte der NPD-Mann allerdings nun Erfolg. Es könne nicht eindeutig bewiesen werden, wer diesen Koffer unter dem Verkaufstisch deponiert habe und ob die Scheiben tatsächlich zum Verkauf bestimmt waren. Da diese hundertprozentige Sicherheit nicht existiere, gelte der Grundsatz: Im Zweifel für den Angeklagten. Das Gericht folgte damit den Anträgen von Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger Carsten Schrank, der sich in großen Worten gegen einen »politischen« Prozess aussprach und die »sachliche Atmosphäre« im Gerichtssaal betonte. Ganz nebenbei hatte er einen Zeugen massiv unter Druck gesetzt und ihm indirekt die Antworten vorgegeben, was zu einem heißen Duell zwischen der Vorsitzenden Richterin und dem Verteidiger der NPD führte.

Im Neonazi-Shop »Hexogen« in Schöneweide, der inzwischen aufgegeben wurde, hatten damals rund um den Tag des Polizeieinsatzes drei Leute Zugang zu den Geschäftsräumen. NPD-Schmidtke, seine damalige Lebenspartnerin, die NPD-Frauenaktivistin Maria Fank, sowie ein der rechten Szene verbundener Praktikant. Er war Zeuge im Prozess. Alle drei hätten theoretisch die Möglichkeit gehabt, den Koffer mit den Hetz-CDs unter dem Ladentisch mit dem Ziel zu deponieren, die verbotene Ware zu verhökern.

Einen Tag vor dem ersten Urteil gegen Schmidtke und anderthalb Jahre nach der Durchsuchung hatte sich Fank der Polizei gestellt und behauptet, der »Wahrheit zu dienen«, sie sei die Missetäterin gewesen, die den Koffer in die Geschäftsräume gebracht habe. Als sie diese Aussage jedoch vor Gericht wiederholen sollte, verweigerte sie dies. Als Verlobte durfte sie sich so verhalten. Das Amtsgericht wertete die Fank-Aktion als untauglichen Versuch, ihren Verlobten in letzter Sekunde rauszupauken. Der Koffer blieb an Schmidtke hängen.

Der Zeuge Praktikant Christoph Sch., der vor Gericht gehört wurde, nuschelte vor sich hin, wusste nichts, sah nichts und berief sich ansonsten auf sein Aussageverweigerungsrecht, da die Gefahr bestand, sich selbst einer Straftat bezichtigen zu müssen. Somit war das Gericht am Ende zwar überzeugt, dass Schmidtke den silbernen Nazi-Verkaufskoffer unter dem Tresen deponiert hatte. Da aber die Zweifel nicht völlig ausgeräumt werden konnten, fiel die Entscheidung zugunsten des NPD-Mannes. »Die Vorfindesituation des Koffers« habe die Schuld des Angeklagten nicht eindeutig belegen können. Ganz ungeschoren kam Schmidtke dennoch nicht davon. Nebenbei hatte er einen Onlineshop betrieben. Dabei war auch eine CD mit jugendgefährdenden Inhalten angeboten worden. Schmidtke hatte damals erklärt, diese CD sei versehentlich in den Handel geraten, weil er von seinem Vorgänger nicht richtig ins Bild über das Angebot gesetzt wurde. Das sei ihm einfach so durchgerutscht. Dies kaufte ihm das Gericht auch diesmal nicht ab und verurteilte ihn deshalb zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 30 Euro.

Im Vorstrafenregister des Berliner NPD-Chefs befinden sich damit insgesamt sechs Eintragungen. Mit dabei: Beleidigung, Betrug, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Volksverhetzung und Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz.

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