Runder Tisch für RAW-Soziokultur

Bezirksparlament will Mietverhandlungen zwischen Investor und Nutzern begleiten

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kurth-Gruppe führte sich zunächst mit Charme als neuer Eigentümer des RAW-Geländes ein. Inzwischen fürchten Mieter jedoch, dem ökonomischen Druck nicht standhalten zu können.

»Wir haben hier 2004 Industrieruinen ohne Dächer, Fenster und Türen gemietet«, sagt Tobias Freitag. Er ist Geschäftsführer des Projektverbundes Five-O, der auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahn-Ausbesserungswerks (RAW) an der Revaler Straße in Friedrichshain unter anderem die Skate- und die Kletterhalle, den Club Cassiopeia und einen Biergarten betreibt. Gerade findet eine Skateboardmeisterschaft statt, die Teilnehmer schwitzen, bei jeder Landung knallen die Bretter.

»Den Graben für die Frischwasserleitung haben wir selber ausgehoben«, berichtet Freitag. Über die Jahre wurden 1,5 Millionen Euro und »ganz viel Muskelkraft« investiert. »Es ist das erste Mal in Berlin, dass eine Skatehalle über ein Jahrzehnt existiert«, sagt er. Denn obwohl es schon seit 1977 in Berlin einen Skateboardverein gibt, konnten sich Skatehallen nie dauerhaft halten.

»Wir haben das nur durch die Quersubventionierung geschafft«, sagt Freitag. Profitable Bereiche wie der Club Cassiopeia finanzieren die Sportangebote. »Wir sind nie als Clubbetreiber angetreten, wussten aber, dass ohne das der Rest nicht tragfähig wäre«, sagt er. Es sei europaweit die einzige Halle, die ohne Subventionen auskomme.

Doch inzwischen hat man bei Five-O Sorgen, dass 2020 Schluss sein könnte. Seit acht Monaten verhandelt Freitag mit dem neuen Geländeeigentümer, der Kurth-Gruppe aus Göttingen, über eine Vertragsverlängerung. Sie versicherte nach dem Kauf, die soziokulturellen Projekte erhalten zu wollen. »Es gibt einen Unterschied zwischen dem, was sie angekündigt haben und dem, wie sie wirtschaftlich handeln«, konstatiert Freitag. Vor einigen Tagen gingen sie mit ihren Sorgen an die Öffentlichkeit.

Noch am selben Tag antwortete die Kurth-Gruppe mit einer Presseerklärung. Man biete zwar an, die soziokulturellen Projekte über den Mietpreis zu subventionieren, nicht jedoch die »hochprofitabel bewirtschafteten Betriebe Cassiopeia und den Biergarten«. Diese benötigten eine Subventionierung ebenso wenig, wie alle anderen Clubs auf diesem bestens frequentierten Gelände.

Die Sorgen der Skatehallenbetreiber wurden vom Bezirksparlament erhört. Der Bauausschuss hat am Mittwoch mit den Stimmen von Grünen, Piraten, SPD und LINKEN einen Antrag zur Einberufung eines runden Tisches beschlossen. Dort sollen Eigentümer, Bezirksabgeordnete und Nutzer einen »für alle Seiten tragfähigen Weg zur langfristigen Absicherung« des Soziokulturellen Zentrums aushandeln. Am kommenden Mittwoch soll der Beschluss im Bezirksparlament verabschiedet werden. Dabei geht es nicht nur um Five-O, sondern um viele weitere langjährige Nutzer des wegen der Gebäudeanordnung »soziokulturelles L« genannten Ensembles.

»Zentrale Ankermieter sollen erhalten werden«, sagt der Vorsitzende des Bauausschusses John Dahl (SPD). Es müssten beide Seiten miteinander reden und auch bereit sein, Kompromisse zu machen. Bestimmte Mieter vorschreiben könne die Politik nicht. »Wenn wir den Eindruck haben, dass das soziokulturelle L gefährdet wird, dann gibt es keine Mehrheit für einen Bebauungsplan«, stellt Dahl klar. Das Stadtteilbüro Friedrichshain habe sich bereiterklärt, den runden Tisch zu moderieren.

»Die Skatehalle kann nur durch Quersubventionierung erhalten werden«, sagt Bezirkspolitiker Reza Amiri von der LINKEN. Er hoffe auf die Vernunft aller beteiligten. »Es stimmt mich optimistisch, dass die Kurths immer glaubhaft versichert haben, die Soziokultur erhalten zu wollen«, sagt Susanne Hellmuth von den Grünen. Man brauche keinen runden Tisch, sondern eine zügige Planung, heißt es von der Kurth-Gruppe. Teilnehmen werde man aber.

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