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Wie man Kosten explodieren lässt

Immer öfter werden öffentliche Bauten teurer als geplant - eine Ursachensuche in Thüringen

  • Sebastian Haak, Erfurt
  • Lesedauer: 5 Min.
Im Vergleich mit anderen Projekten fällt die unplanmäßige Kostensteigerung am Erfurter Steigerwaldstadion eher klein aus. Aber warum mehren sich solche Fälle?

Inzwischen würde Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein von der SPD seine Worte wohl anders wählen. Oder zumindest die Art und Weise, in der er sie damals ausgesprochen hat. Denn mehrere Millionen Euro sind selbst für eine Stadt wie Thüringens Landeshauptstadt keine kleine Summe. Und sie sind ein eindringlicher Beweis dafür, dass nun auch beim Umbau des Erfurter Steigerwaldstadions zu einer Multifunktionsarena das eingetreten ist, was so häufig eintritt, wenn der Staat bauen lässt. Etwas, das Bausewein für sein Projekt in der Vergangenheit allerdings mehr oder weniger ausgeschlossen hatte: Dass es deutlich teurer wird als geplant.

Journalisten, die wissen wollten, wie hoch das Risiko ist, dass der Umbau des Erfurter Stadions mehr kosten wird, als zunächst veranschlagt worden war, hatte Bausewein im Sommer 2015 noch mit der Bemerkung abgekanzelt, man solle doch bitte nicht schon wieder vom Schlimmsten ausgehen. »Wir bauen hier keinen Berliner Flughafen«, hatte er damals gesagt - und damit auf jenes öffentliche Bauprojekt angespielt, das in Deutschland inzwischen zum Synonym dafür geworden ist, dass der Staat in all seinen Gliederungen nicht in der Lage zu sein scheint, mit Steuergeldern verantwortlich umzugehen und entsprechend zuvor festgelegter Planungen zu bauen.

Projekte wie der Berliner Flughafen BER, wo die entstandenen oder entstehenden Mehrkosten im Milliarden-Euro-Bereich lagen oder liegen, sind in Deutschland zwar die Ausnahme. Und doch gab und gibt es immer wieder Bauprojekte der Länder, der Landkreise und kreisfreien Städte sowie der Städte und Gemeinden, die teurer werden als zunächst gedacht. Oder zumindest als im Vorfeld angegeben. Die Schwarzbücher des Bundes der Steuerzahler sind seit Jahren voll von solchen Beispielen. Vor etwa zwei Jahren widmete der Verein den öffentlichen Bauprojekten deshalb in seinem Schwarzbuch sogar eigens einen längeren Text, der unter anderem der Frage nachgeht, weshalb öffentliche Bauten eigentlich regelmäßig teurer werden. Zu den Beispielen des Bundes der Steuerzahler aus Thüringen gehört der Bau eines Mehrzweckgebäudes in Nordhausen, für das nach Angaben des Vereins 2007 Baukosten in Höhe von etwa zehn Millionen Euro veranschlagt worden waren. Schließlich habe der Bau fast 14 Millionen Euro gekostet. Die Sanierung eines ehemaligen Kulturhauses in Crossen an der Elster kostete den Angaben zufolge statt geplanten 1,5 Millionen Euro schließlich rund 2,35 Millionen Euro. Und nun eben noch die Sache mit dem Steigerwaldstadion: Dessen Sanierung wird wohl mindestens 5,7 Millionen Euro mehr kosten als geplant - bei einer zuvor veranschlagten Gesamtinvestitionssumme von etwa 39 Millionen Euro.

»Einseitige Schuldzuweisungen sind falsch,« sagt Hans-Gerd Schmidt, Präsident der Architektenkammer. »Die Gemengelage ist ziemlich komplex. Die Ursachen für Baukostenerhöhungen sind oft vielfältiger Natur.«

Wolfgang Mahrle, Landesgeschäftsführer des Steuerzahlerbundes, sieht das ähnlich. Bei allen Warnungen davon, »alles über einen Kamm zu scheren«, sehen beide aber einige typische Ursachen dafür, dass öffentliche Bauprojekte regelmäßig teurer werden.

Eine dieser Ursachen: Politiker auf allen Ebenen, so sagen Mahrle und Schmidt - wenn auch mit unterschiedlich scharfen Worten -, rechneten sich und der Öffentlichkeit Bauprojekte regelmäßig schön; was meint: klein. Nur so sei es oftmals möglich, Bauprojekte zum Beispiel durch Gemeinderäte oder Kreistage zu bekommen. »Das ist ein Grundsatzfehler«, sagt Mahrle. »Die Politik müsste eigentlich alle Kosten offenlegen, die durch ein Vorhaben entstehen - von den Planungskosten für den Bau eines Gemeindezentrums bis hin zu den Kosten für die Kuchengabeln, die dann dort verwendet werden sollen.« Dass dies oft nicht getan werde, sei vielfach »politisches Kalkül«.

Vor allem Schmidt fordert deshalb eine neue Form der Ehrlichkeit im Umgang mit Bauprojekten aller Art: Wenn irgendwo gebaut oder saniert werde, gebe es immer Risiken, die sich im Vorfeld nicht genau beziffern ließen: Wie sieht die Fachwerkwand wirklich aus, wenn die Verkleidung weg ist? Wie ist der Baugrund wirklich beschaffen, wenn die ersten Zentimeter Erde weggebaggert sind? »Wir müssen lernen, mit Planungsunschärfen umzugehen«, sagt Schmidt. »Wir denken nur noch absolut, dabei müssten wir in Kostenspannen denken, um flexibel auf Planänderungen reagieren zu können.«

Mahrle zufolge gibt es zudem oft grundsätzlich falsche Anreize: Wenn eine Gemeinde zum Beispiel vor allem deshalb ein neues Gebäude errichte, weil es dafür gerade Fördermittel vom Land, vom Bund oder von der EU gebe, dann seien bei solchen Planungen Kostensteigerungen fast schon programmiert. Regelmäßig würden solche Projekte nämlich häufig so gerechnet, dass sie zu den Förderprogrammen passten - egal, wie realistisch die Kalkulation auch sei. Das, so Mahrle, werde gerade für kleinere Kommunen zu einem echten Problem, wenn die Kalkulation wie ein Kartenhaus in sich zusammenfalle. Wenn ein Verein von der Gemeinde keinen Zuschuss mehr für seine Senioren-Weihnachtsfeier bekomme, weil jeder Cent in der kommunalen Kasse gebraucht werde, um die Mehrkosten solcher Bauprojekte zu decken, »dann wird es kriminell«, sagt Mahrle.

Aber es sind offenbar nicht nur jene, die Aufträge ausschreiben und vergeben, dafür verantwortlich, dass es so oft teurer wird. Schmidt verweist darauf, dass auch Baufirmen immer wieder nicht wirklich seriös kalkulierten. Damit machten sie es ihren potenziellen, öffentlichen Auftraggebern entweder sehr leicht, sich Projekte schön zu rechnen. Oder sie verhinderten gar, dass diese wissen können, wie teuer es am Ende wird. Ein Umstand, der freilich dadurch begünstigt wird, dass die öffentliche Hand Aufträge gerne an die gibt, die vielleicht nicht die Allerbilligsten, wohl aber doch ziemlich billig sind.

Schmidt formuliert das so: »Bei dem Wettbewerb, der am Markt existiert, lassen sich zu niedrige Angebote gar nicht vermeiden.« Im Klartext: Es gibt immer wieder Firmen, die etwa anbieten, ein öffentliches Gebäude zu errichten, und dabei Kosten veranschlagen, mit denen sie nicht mal ihre eigenen Aufwendungen decken können - in der Hoffnung, erst einmal den Zuschlag zu erhalten und später im Zuge von Nachverhandlungen noch das Honorar einfordern zu können, das eigentlich realistisch ist.

Der Präsident der Architektenkammer spricht sich in diesem Zusammenhang auch gegen ein Modell aus, das nach seinen Beobachtungen bei den Kommunen im Freistaat immer beliebter wird: Einen öffentlichen Bauauftrag an einen Generalunternehmer zu geben, der sich dann sowohl um die Detailplanung wie auch um die eigentlichen Bauleistungen kümmert. »Wir finden, dieses Modell ist keine gute Lösung«, sagt Schmidt. »Die zu Recht hinterfragten Gründe für Kostenerhöhungen am Bau werden dadurch nicht geheilt. Wir stehen für die Trennung von Planen und Bauen, damit der Planer wirklich der Treuhänder des Bauherrn ist.«

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