Irgendwas mit Grenze

CDU-Vizechefin Julia Klöckner setzt sich von Merkels Flüchtlingspolitik ab - und dementiert das zugleich

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Lange führte die CDU haushoch im Rennen um die Mainzer Staatskanzlei. Nun wird es enger - und die Spitzenkandidatin balanciert zwischen Populismus und Loyalität zur Kanzlerin.

Von einem klaren »Anti-Merkel-Papier« spricht SPD-Vize Ralf Stegner. Grünenchefin Simone Peter sieht das ähnlich. In München brummt man zustimmend. Keine »Absetzbewegung« kann dagegen der linienstrenge Unionsfraktionschef Volker Kauder erkennen. Auch CDU-Vize Armin Laschet sieht »keinen Kurswechsel«. Der Regierungssprecher bleibt vage: Es gebe »Elemente, die wir kennen, einiges ergänzt die Politik der Bundesregierung, einiges überlappt sich damit«. Die Kanzlerin nennt es »eigenständige Initiative« - und die Urheberin selbst eine »Ergänzung«, sie unterstütze aber »die Politik der Kanzlerin ausdrücklich«.

Julia Klöckner, Vizechefin der CDU und Spitzenkandidatin der Union bei der Landtagswahl am 13. März in Rheinland-Pfalz, hat am Wochenende mit einem flüchtlingspolitischen Vorstoß zumindest eins erreicht: ein enormes Medienecho, das irgendwie herüberbringt, dass sie, Julia Klöckner, ganz außerordentlich besorgt ist über die Flüchtlingssituation. Und dass sie aber dennoch auf Du ist mit der Macht. Das aber ist immer noch die Kanzlerin.

Dies ist die Botschaft ihres Vorstoßes, den sie nicht einen »Plan B«, sondern einen »Plan A2« nennt: irgendwas mit Grenze. Nicht weniger und auch nicht wirklich mehr - denn was im Detail drin steht in dem Papier, ist hinsichtlich der Adressaten zweitrangig. Wie viele Wahlberechtigte in Rheinland-Pfalz können aus dem Stegreif die Unterschiede zwischen den »Grenzzentren«, die Klöckner jetzt vorschlägt, den »Transitzonen« von Horst Seehofer und den beschlossenen »Aufnahmeeinrichtungen« darlegen?

Klöckner balanciert zwischen Populismus und Loyalität. In der Sache ist aber wohl der Interpretation aus SPD und Opposition zuzustimmen. Klöckner weicht doch deutlich von der bisherigen Haltung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer Koalition ab. Besonders gilt das für den Passus, der »tagesaktuelle Kontingente« fordert und die Zahl der Eingelassenen an den aus Ländern und Kommunen gemeldeten »Kapazitäten« festmachen will und nicht an der Situation an der Grenze.

Obwohl Klöckner mit diesem Vorschlag die Frage nach einer konkreten Zahl geschickt umschifft, läuft das im Prinzip auf jene »Obergrenze« hinaus, die die SPD und auch die Bundeskanzlerin bisher ablehnen. Und die verfassungsrechtlich wohl auch sehr schwer zu begründen ist, weil es sich beim Asylrecht um ein Grundrecht handelt, das nicht dem früheren Ankömmling zuerkannt und einem später eintreffenden verweigert werden kann.

Die Grenzzentren stellt sich Klöckner so vor, dass zunächst alle Flüchtlinge in grenznahe Einrichtungen gebracht werden sollen. Dort sollen die Bleibeberechtigungen schnell geprüft und abgelehnte Bewerber schnell angeschoben werden. In die fünf bis acht beschlossenen »Aufnahmezentren« der Bundesregierung sollen dagegen nur Asylbewerber mit etwa aufgrund ihrer Herkunftsländer a priori als schlecht eingeschätzter Bleibeperspektive einziehen. Dort sollen ihre Anträge gleichfalls beschleunigt bearbeitet werden und rasche Abschiebungen folgen. Kauder versuchte am Sonntagabend im ZDF diesen Unterschied mit dem Hinweis wegzureden, »Registrierzentren« seien Teil der Beschlusslage der Koalition.

Klöckner führt in Umfragen mit 38 gegenüber 31 Prozent für die SPD. Noch im November hatte die Union bei 41 Prozent gelegen, vor Jahresfrist bei sogar 43 Prozent. Trotz des Schwächelns der CDU sind die SPD-Werte relativ konstant. Die mitregierenden Grünen sind von über 15 auf nur noch sieben Prozent eingebrochen. Die AfD wird zurzeit auf neun Prozent geschätzt, Linkspartei und FDP auf jeweils fünf. 2011 lag die SPD mit 35,7 knapp vor der Union mit 35,2 Prozent. Kommentar Seite 4

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