Neues LAGeSo-Chaos: Flüchtlinge hungern
Krankenstand von 50 Prozent verstärkt Auszahlungsprobleme
Die Situation für Flüchtlinge in Berlin spitzt sich zu. Weil derzeit in der »Zentralen Leistungsstelle für Asylbewerber« des Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in der Turmstraße ein akuter Krankenstand von 50 Prozent bei den Beschäftigten vorherrscht, kommt die Behörde mit der Auszahlung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz nicht mehr nach.
Wie viele »Härtefälle« konkret betroffen sind, konnte Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Dienstag in der Senatspressekonferenz nicht sagen. »Wir haben eine zentrale Hotline eingerichtet, bei der Heimbetreiber Härtefälle melden können«, sagte Czaja. Außerdem habe der Senat als weitere Notfallmaßnahme festgelegt, Abschlagszahlungen an Asylbewerber zu entrichten. Künftig sollen auch verschiedene Heimbetreiber die Gelder dezentral auszahlen können.
Für Mitarbeiter in Berliner Flüchtlingsheimen kommt das erneute Versagen des LAGeSo indes nicht überraschend. »Es ist überall - seit zwei Wochen schlagen wir Alarm«, sagt eine Mitarbeiterin eines Wohnheimes dem »nd«. Sie will aus Angst um ihren Arbeitsplatz anonym bleiben. Von den Bewohnern ihrer Unterkunft kam in den vergangenen Wochen nur jeder Zehnte, der seit dem 1. Januar einen Termin beim LAGeSo hatte, überhaupt dran. Doch ohne die »Bewilligungsbescheide« und »Kostenübernahmen«, die das Amt ausstellt, bekommen Flüchtlinge weder Geld noch dürfen sie in den Heimen bleiben. Und ohne Geld können sie sich nichts kaufen.
Zum Hintergrund: Asylsuchende in der Hauptstadt sollen nach drei bis sechs Monaten eigentlich »Selbstversorger« sein. Vollverpflegung gibt es nur in der Zeit davor, wenn die Menschen in den Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind. »Ich habe einem Menschen Geld geliehen, der hungerte«, sagt die Sachbearbeiterin. Regelmäßig würden außerdem Heimbewohner zur Berliner Tafel geschickt. In der derzeitigen Notlage würden darüber hinaus diejenigen Flüchtlinge, die ihr Geld ausbezahlt bekommen haben, die Wartenden unterstützen.
Gibt es also hungernde Flüchtlinge in der Hauptstadt? Sozialsenator Mario Czaja sagt: »Die Aussage, dass Flüchtlinge in den Unterkünften gehungert haben, hat mir keiner der Heimbetreiber bestätigt.« »Härtefälle« seien mitversorgt worden. Mit einer Umverteilung der Mitarbeiter von der Erstaufnahme des LAGeSo zur Zentralen Leistungsstelle sollen die Auszahlungsschwierigkeiten beseitigt werden, so Czaja.
Die oppositionelle LINKE sieht Czaja dagegen nicht in der Lage, die Zustände am LAGeSo zu verbessern. »Dass Flüchtlinge in Berlin hungern müssen, weil der Senat seine Arbeit nicht macht, ist unfassbar«, sagt der Landesvorsitzende der LINKEN, Klaus Lederer. Er fordert, dass Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) die Reißleine zieht. LINKE und Grüne haben im Parlament eine Aktuelle Stunde beantragt.
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