Theater statt Verantwortung

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 2 Min.

Im Prinzip ist es eine schöne Geste, die vielen, vielen freiwilligen Helfer, die sich seit vielen Monaten um Flüchtlinge kümmern, ins Theater oder in den Tierpark einzuladen. Die Institutionen rechnen auch mit spürbaren Kosten, allein die Zoo-Gesellschaft rechnet bei ihren drei Attraktionen mit 50 000 Euro, die durch entgangene Eintrittsgelder und erhöhten Personalaufwand zusammenkommen.

Allerdings füllen diese Helfer die Riesenlücken, die bestehen, weil der Senat auch nach vielen Monaten immer noch nicht seinen Pflichten nachkommt. Zunächst einmal der Pflicht, die Flüchtlinge zu versorgen. Auch nach Monaten ist die Lage vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) so, als hätte es letzte Woche ein Erdbeben gegeben. Die freiwilligen Helfer kochen Suppe, fahren Lebensmittelspenden in die Heime, betreuen Kinder, helfen bei der schier endlosen Ämterodyssee. Alles ureigenste Aufgabe des Staates.

Berlin strapaziert aber auch die Helfer inzwischen in solchen Maßen, dass schon mindestens einer öffentlichkeitswirksam durchgedreht ist. Er hatte sich den Tod eines Flüchtlings nach tagelanger Warterei vor dem LAGeSo ausgedacht. Die Berliner Hochschulprofessorin Nivedita Prasad fordert »Begleitkurse« für die Freiwilligenarbeit, damit sie lernen, mit der Frustration umzugehen. Allein schon mit dem Geld, was der »Berlin sagt Danke«-Tag kostet, hätte man einigen hundert Helfern Kurse finanzieren können. Oder - und jetzt wird es leider utopisch - tatsächlich Geld in Hand zu nehmen und so viel Personal einstellen, wie benötigt wird, um eine brauchbare Versorgung und Verwaltung zu gewährleisten. Dann könnten Freiwilligen zusammen mit Flüchtlingen etwas unternehmen. Zum Beispiel in den Zoo gehen.

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