Das Paradox von Beetzendorf

Altmark: Weniger Bürger, aber mehr Kita-Kinder

  • Matthias Pöls, Salzwedel
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie hält man junge Familien in einer von starker Abwanderung betroffenen Region? Für die Altmark sollte das 2010 ins Leben gerufene Modellprojekt für den demografischen Wandel - »KitaMobil« - Antworten finden. Nach gut fünf Jahren läuft es zwar, an einigen Stellen hakt es aber auch noch.

Im Schnitt leben 26 Einwohner auf jedem der 535 Quadratkilometer in Beetzendorf-Diesdorf. Es ist Sachsen-Anhalts größte Verbandsgemeinde, gleichzeitig eine der am dünnsten besiedelten. Die Arbeitsplätze der Einwohner des Altmarkkreises liegen oft im nahen Niedersachsen. Doch trotz rückläufiger Bevölkerung: Die Zahl der betreuten Kinder steigt.

Die Förderung durch den Bund für das Projekt ist inzwischen ausgelaufen, und auch der Besuch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Jahr 2013 schon fast in Vergessenheit geraten. Doch insgesamt sei das Ganze »ein Glücksgriff« gewesen, sagt die Bürgermeisterin der Gemeinde, Christiane Lüdemann. Damals gab es eine Anschubfinanzierung und weiteres Geld für die Probephase.

Aktuell sind die 15 Kindertagesstätten und zwei Horte zu 90 Prozent ausgelastet. Die Zahl der Erzieherinnen hat sich von 85 auf über 100 erhöht. Dabei sei man in der Planungsphase des Projektes vor fünf Jahren noch davon ausgegangen, dass sich die Zahl der Einrichtungen für Kinder bis 2020 etwa halbieren werde.

Lüdemann sieht das damals beschlossene Leitbild als Erfolg. Seitdem werden etwa die Betreuerinnen ständig fortgebildet. Ein Pool zum leichteren Austausch des Personals zwischen den Kitas ist aufgestellt und es gibt eine Zukunftswerkstatt. In ihr tauschen sich Eltern, Erzieher und Ortschaftsräte aus. Lüdemann: »So hat sich die Qualität der Betreuung insgesamt verbessert.«

Ein Kernstück des Modellprojekts - Kita-Rufbusse - stößt dagegen auf wenig Nachfrage. Das Rufbussystem der Personenverkehrsgesellschaft Altmarkkreis Salzwedel (PVGS) war durch spezielle Fahrzeuge für Kitas erweitert worden, die Kinder von der Haustür zu den Betreuungseinrichtungen bringen sollten. Die sogenannten KitaMobile gaben dem Projekt sogar seinen Namen.

Doch aktuell nutzen nur sechs Familien den Service. »Die Finanzierung steht noch bis Mitte 2017« sagt PVGS-Geschäftsführer Ronald Lehnecke. Ursprünglich sei eine stärkere Auslastung erhofft worden. In Zukunft könnte es daher sein, dass Nutzer höhere Preise zu zahlen haben. Oder Beetzendorf-Diesdorf müsse einen größeren Teil der Kosten übernehmen. KitaMobil soll dennoch erhalten bleiben.

Eine andere Schwierigkeit sind die Kita-Fördervereine. Bislang gibt es sie nur für sechs Einrichtungen. »Das ist ein rechtliches Problem«, sagt die Bürgermeisterin. Nur wenige wollten die Verantwortung übernehmen, doch ein Teil der Kita-Finanzierung werde auch über diese Vereine getragen. Ein weiteres Standbein sind Sponsoring-Verträge mit Unternehmen. »Da konnten wir bisher drei Firmen finden.«

Unterm Strich zieht Lüdemann ein positives Fazit: »Insgesamt hat es sich sehr gut entwickelt.« Das Ziel werde erreicht: Junge Familien blieben in der Region. Andere Gemeinden würden gern nachziehen, doch da fehle es an einer Anschubfinanzierung. dpa/nd

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