Vereinigung der Ausgebeuteten

Arbeitnehmer aus verschiedenen Branchen diskutieren Möglichkeiten des Widerstandes

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.
Unsichere Beschäftigungsverhältnisse nehmen in Berlin zu. In der Gastronomie, im Botanischen Garten und im Handel beginnen Angestellte, sich zu vernetzen.

Was haben im Restaurantgewerbe arbeitende Italiener, Mitarbeiter des Botanischen Gartens sowie bei dem Internethändler Amazon Beschäftigte gemeinsam? Zum einen: Sie alle gehören nicht zu den rund 20 000 Millionären, die nach Schätzungen der »Weberbank« 2017 in Berlin leben werden. Sie sind Teil der wachsenden Arbeitnehmerschaft mit unsicheren Beschäftigungsverhältnissen, die laut dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) bereits von 80 Prozent der Berliner Betrieben genutzt werden. Meist müssen sie darum kämpfen, ihren Arbeitsplatz länger als ein Jahr behalten zu können.

Zum anderen haben sie beschlossen, sich gegen ihre Arbeitsbedingungen zur Wehr zu setzen. Auf der Veranstaltung »Kampfstrategien von Amazon bis Zalando« versammelten sich am Donnerstag Vertreter der verschiedenen Branchen im Friedrichshainer ND-Gebäude, um Möglichkeiten der praktischen Solidarität und der Vernetzung der jeweiligen Arbeitskämpfe zu diskutieren.

Besonders kritisch sei die Situation bei den in Berlin gestrandeten Migranten aus Südeuropa, die nun meist im Gastronomiegewerbe zu schlechten Löhnen arbeiten müssen, erklärte die Aktivistin Nicola Medici von der Gruppe »Streikende Migranten«. »Wir haben festgestellt, dass wir häufiger schlechtere Bezahlung annehmen als die deutschen Kollegen und so zur Prekarisierung beitragen«, sagte Medici. »Genau wie die Flüchtlinge werden wir als Lohndrücker eingesetzt.« Da viele Italiener und Spanier ihre Berufe häufig wechseln, sei eine gewerkschaftliche Organisierung schwierig. Medicis Gruppe bietet so vor allem Beratungsgespräche an und versucht mittels Öffentlichkeitsarbeit den Druck auf einzelne Arbeitgeber zu erhöhen. Am 1. März planen die migrantischen Arbeiter in Berlin einen »Stadtspaziergang«, der an symbolischen »Plätzen der Ausbeutung« vorbei laufen soll.

Auch der Angestellte im Botanischen Garten, Lukas S., ist unzufrieden. Das Personal wird von der Freien Universität (FU), der die Beschäftigten bisher direkt unterstellt waren, in eine Betriebsgesellschaft ausgegliedert, erklärt er. Diese zahlt jedoch weitaus niedrigere Löhne. Kurz vor Weihnachten stellte die Universität 31 betriebsbedingte Entlassungen in Aussicht, wovon auch Betriebsratsmitglieder betroffen sein sollen. Auf Beschäftigte, die sich wehren, wird nach Berichten aus der Belegschaft mit Personalgesprächen Druck ausgeübt. Die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter versuchen zum Schutz, wählbare Positionen im Betrieb zu besetzen. »Wir müssen in die Breite wachsen«, sagte S.. Als Protestaktion soll am Montag dem Präsidium der FU ein »verwelkter Blumenstrauß« überreicht werden.

Aimo Belling, U-Bahn-Fahrer bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und Mitglied bei der Basisgruppe »ver.di aktiv«, berichtete von den Herausforderungen, die Unterstützung zwischen verschiedenen Arbeitskämpfen praktisch werden zu lassen. Im Januar 2015 reichten Gewerkschaftsmitglieder beim Betriebsgruppenvorstand der BVG einen Antrag ein, in dem gefordert wurde, sich gegen die Befristungspraxis des Internethändlers Amazon am Standort Brieselang, aber auch gegen die der BVG zu positionieren. Bis heute wurde der Antrag nicht bearbeitet. Die Gewerkschaftsführung mahnte, auch aufgrund verschiedener Solidaritätsbekundungen, die Basisgruppe ab. »Wir bleiben da dran«, sagte Belling kampfeslustig.

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