Gesellschaftskrimi NSU
Jede Menge Unklarheit - 50 Monate nach dem Auffliegen der Neonazi-Terrorbande
Berlin. »Es sind im NSU-Komplex so viele Dinge geschehen, die völlig unglaubwürdig wären, wenn sie fiktional daher kämen«, sagt Wolfgang Schorlau im nd-Interview. Der Schriftsteller hat sich für seinen Krimi »Die schützende Hand« mit dem Terror des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) und den verhängnisvollen Ermittlungsversäumnissen der Sicherheitsbehörden beschäftigt.
Er ist dabei - wie viele Journalisten und andere Rechercheure vor ihm - auf zahlreiche Ungereimtheiten und seltsame Verstrickungen von Behörden gestoßen. Denen wendet sich erneut ein Untersuchungsausschuss des Bundestages zu, der in dieser Woche mit der Beweisaufnahme begonnen hat. Bereits jetzt stoßen die Parlamentarier auf massive Unkenntnis bei zuständigen Ermittlern. Es wird herauszufinden sein, welche Ahnungslosigkeit echt und welche - zu wessen Schutz auch immer - vorgeschoben ist. Abermals halten Behörden Akten, vor allem über V-Leute des Verfassungsschutzes, zurück. Auch im Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht gegen die mutmaßliche NSU-Mittäterin Beate Zschäpe und Unterstützer, der seit Mai 2013 geführt wird, blieb das Netzwerk der NSU-Terroristen bisher weitgehend unerkannt.
Vor wenigen Tagen hat der - nach langem Zögern eingesetzte - Untersuchungsausschuss Baden-Württembergs seine Arbeit beendet. 39 Sitzungen, 136 Zeugen, ein dicker Abschlussbericht und jede Menge neue Fragen sind das Resultat. Derweil sterben einstige Geheimdienstspitzel und andere mögliche Zeugen. In Baden-Württemberg nahm sich jüngst abermals ein junger Mann angeblich das Leben. Er ist der dritte Tote aus einem Freundeskreis, der möglicherweise Wissen über den NSU gehabt hat. Was man in einem Krimi akzeptieren mag, geht in der Realität an die Substanz des Rechtsstaates. hei Seiten 4, 18 und 19
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.