Leiharbeit: Nahles geht vor Unternehmerlobby in die Knie

Gesetzentwurf zu Zeitarbeit und Werkverträgen deutlich entschärft / Linke und Grüne: »Endgültig eine Mogelpackung« / Wirtschaftslügel der Union zufrieden / Bayern will noch weniger Schutz von Beschäftigten

  • Lesedauer: 4 Min.

Berlin. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat ihren Gesetzentwurf zu Zeitarbeit und Werkverträgen deutlich entschärft - zu Gunsten der Forderungen von Konzernen und des Wirtschaftsflügels der Union. Opposition und Gewerkschaften sind entsetzt. Doch von rechts wird sogar nach noch weniger Schutz für Leihrbeiter gerufen.

Mit dem geplanten Gesetz sollte ursprünglich der Missbrauch von Werkverträgen und Leih- oder Zeitarbeit eingedämmt werden. Mit Werkverträgen vergeben Unternehmen etwa IT-Dienstleistungen, Catering- und Reinigungsdienste an andere Firmen. Unter anderem sind nun die Kriterien für eine Abgrenzung von Werkverträgen zu normalen Arbeitsverträgen entschärft worden. Die Konzernlobby hatte gewarnt, dass der bisherige Katalog viele übliche und unproblematische Werkvertragskonstellationen erschweren oder gar verhindern würde. Er hätte damit der Wirtschaft geschadet, so die Behauptung.

Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, Carsten Linnemann, sagte, man halte die Regulierung in dem Bereich grundsätzlich für schädlich. Man sei aber froh, »die schlimmsten Einschränkungen verhindert zu haben«. Der Hauptgeschäftsführer der Lobbyorganisation Gesamtmetall, Oliver Zander, sagte, Zeitarbeit und Werkverträge eigneten sich nicht als Wahlkampfthema.

Der IG Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann kritisierte, aus Sicht der IG Metall blieben die Regelungen zu Werkverträgen weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Auch der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes DGB, Reiner Hoffmann, lehnte die Entschärfung des geplanten Gesetzes ab. Der »Rheinischen Post« sagte er, »Arbeitgeber und Teile der CDU versuchen seit Wochen, die Vorschläge weichzuspülen«. Bereits die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag lägen deutlich hinter den Forderungen der Gewerkschaften. Hoffmann forderte eine Stärkung der Rechte der Betriebsräte und ein Verbot, Leiharbeiter als Streikbrecher einzusetzen. Zugleich verlangte der DGB-Chef eine präzise Definition des Arbeitnehmerbegriffs im Bürgerlichen Gesetzbuch: »Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Arbeitgeber und Teile der CDU eben jene schwarzen Schafe schützen, die Werkverträge missbrauchen. Wir müssen endlich Schluss machen mit der Scheinselbständigkeit. Und das geht nur mit klaren Regelungen.« Mit weißer Salbe lasse sich kein Missbrauch bekämpfen, sagte Hoffmann.

Die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke erklärte: »Das geplante Gesetz aus dem Hause Nahles wird endgültig zu einer Mogelpackung.« Sie kritisierte, dass jetzt die Kriterien entschärft werden sollen, die Werkverträge von Leiharbeit abgrenzen sollten. Der Linkenpolitiker Klaus Ernst sagte, »mit diesem Gesetzentwurf macht sich Frau Nahles zur Leiharbeiterin der Arbeitgeberverbände.« Die nun geplanten Änderungen zur Regulierung von Werkverträgen und Leiharbeit seien »ein kompletter Kniefall« vor den Unternehmen. »Langsam ist es besser, kein Gesetz zu machen, als solch eines. Das ist sogar ein Rückfall gegenüber geltendem Recht«, so der Vizevorsitzende der Linksfraktion.

Ernst erläuterte seine Ablehnung mit den Worten: »Dass jetzt den Arbeitgebern das Recht zugestanden wird, auch ohne Tarifvertrag Leiharbeitsverhältnisse über 18 Monate auszudehnen, macht die gesetzliche Regelung zum Etikettenschwindel. Schon die bisher geplante Regelung, bei gleicher Arbeit Leiharbeitnehmern erst nach neun Monaten den gleichen Lohn wie den Stammbeschäftigten zu zahlen, geht an der Realität vorbei. 80 Prozent der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sind weniger als ein Jahr im selben Betrieb. Jetzt die Grenze für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit mit 15 Monaten noch weiter nach oben zu verschieben, macht diese Regelung fast vollständig unwirksam.«

Bayern forderte dagegen noch weitere Korrekturen von Nahles. Landeswirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU sagte zu dem entschärften Entwurf, was »Nahles hier vorschlägt, ist in Teilen verfassungsrechtlich bedenklich. Es geht teilweise über den Koalitionsvertrag hinaus.« So kritisiert Aigner, dass nach dem Nahles-Plan nicht tarifgebundene Unternehmen Leiharbeiter maximal 24 Monate beschäftigen dürften, für tarifgebundene Firmen aber keine derartige Befristung vorgesehen sei. »Darin sehen wir eine verfassungsrechtlich problematische Ungleichbehandlung«, erklärte Aigner. Die CSU-Politikerin monierte zudem, dass Zeitarbeiter eingerechnet werden sollen, wenn es um die Schwellenwerte der Mitarbeiterzahlen für die Mitbestimmung geht. Die Unternehmen bräuchten mehr Flexibilität statt weniger, auch um neue Beschäftigungschancen zu eröffnen, behauptete Aigner. »Das hat Frau Nahles bis heute nicht verstanden.« Agenturen/nd

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