Europas Firmen fürchten Chinas Überkapazitäten

Trotz schwächerer Nachfrage wird Produktion im Reich der Mitte ausgebaut / Praktisch alle wichtigen Industrien betroffen / Auch ein Problem der Luft- und Umweltverschmutzung

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Europas Firmen schlagen wegen Überkapazitäten in China Alarm. Obwohl die Nachfrage derzeit nicht mithalten kann, bauen chinesische Unternehmen ihre Produktion massiv aus. Die Überkapazitäten sind eine Gefahr für Chinas Wirtschaft - und für die Konkurrenz im Ausland. Europäische Unternehmen betrachten die massiven Überkapazitäten deshalb mit zunehmend großer Sorge. »Wir sind in einer viel schlechteren Position als zuvor«, sagte Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China am Montag bei der Vorlage einer neuen Studie zum Thema. Demnach sind die Überkapazitäten praktisch aller wichtigen Industrien Chinas in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das bedeutet: Fabriken betreiben mehr Produktionsanlagen und beschäftigen viel mehr Personal, als eigentlich notwendig wäre.

Erst vergangene Woche hatten Tausende Stahlarbeiter in Brüssel demonstriert, weil sie ihre Arbeitsplätze durch die chinesischen Stahlexporte nach Europa bedroht sehen. Laut Wuttke werde sich die Situation wegen des wirtschaftlichen Abschwungs in China eher noch verschärfen. Die Zentralregierung in Peking habe zwar schon vor Jahren damit begonnen, Maßnahmen gegen die steigenden Überkapazitäten zu beschließen. Viele Lokalregierungen würden sich jedoch weigern, die neue Regeln auch umzusetzen oder nach Wegen suchen, sie zu umgehen.

Provinzen und Städte, die von den betroffenen Industrien abhängig sind, wollen demnach um jeden Preis Fabrikschließungen und Massenentlassung verhindern. Viele Staatsunternehmen könnten den Betrieb dabei nur noch mit Hilfe immer neuer Kredite aufrechterhalten. »Dieser Protektionismus muss enden«, sagte Wuttke. »Je länger China warten, desto größer wird das Problem.«

Laut der Studie der Europäischen Handelskammer, verschärft sich nicht nur die Situation in Chinas Stahlindustrie zunehmend. Die Überkapazitäten der chinesischen Zementindustrie legten so zwischen 2008 und 2014 von 450 Millionen auf 850 Millionen Tonnen zu. Die Überkapazitäten der Öl-Raffinerien der zweitgrößten Volkswirtschaft haben sich im gleichen Zeitraum auf 230 Millionen Tonnen sogar mehr als verdreifacht. Auch in den Chemie-, Glas-, Papier, Aluminium- und Papierbranche wachsen die Produktionskapazitäten schneller als die Nachfrage.

Die Europäische Handelskammer hatte erstmals 2009 auf steigende Überkapazitäten in China hingewiesen. Mitverantwortlich für die Probleme war damals ein gewaltiges Konjunkturprogramm der Regierung. Um die Wirtschaft des Landes trotz der globalen Finanzkrise am Laufen zu halten, wurden vielerorts Milliarden in den Bau neuer Fabriken gesteckt, die bis heute nicht gebraucht werden. Da Chinas Industriebetriebe in der Regel weit mehr Schadstoffe ausstoßen als etwa die Konkurrenz in Europa, ist die überschüssige Produktion laut Experten nicht nur die größte Gefahr für Chinas Wirtschaft, sondern bedroht auch Pekings Pläne, die Luft- und Umweltverschmutzung in weiten Teilen des Landes in den Griff zu kriegen. Agenturen/nd

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal