Trucker in der Warteschleife

LKW-Fahrer sitzen in Kiel fest, weil der Transitverkehr durch Polen wegen eines Quotenstreits unterbrochen ist

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.
Seit dem 1. Februar fahren keine Lkw mehr zwischen Russland und Polen. Der Grund: Beide Parteien konnten sich nicht über Transitquoten für den Güterverkehr einigen.

Russische Trucker müssen in diesen Tagen unfreiwillig lange Arbeitspausen zwischen ihren Gütertransporten machen. Man trifft sie in der Wartehalle der Vereinigten Dampfschiff-Gesellschaft (dänisch: Det Forenede Dampskibs-Selskab, DFDS) im Kieler Ostuferhafen, zusammen mit lettischen, estnischen und litauischen Kollegen. An der Wand hängt ein Plan, wann welcher Lkw die Fahrt anzutreten hat. Viele Trucker halten über ihr Smartphone oder ein Laptop Kontakt zur Familie oder zur Freundin in der Heimat, denn sie verspäten sich dieses Mal um viele Tage. Im nächstgelegenen Kieler Discounter versorgen sie sich und kommen mit einer gefüllten blau-weißen Plastiktüte zurück zum DFDS-Gelände. Von der dänischen Reederei bekommt jeder russische Fahrer unterdessen täglich einen Essensgutschein für eine Pizza in der Wartehallen-Gastronomie.

Für russische Spediteure ist es seit einigen Wochen knüppeldick gekommen. Oft waren ihre Gütertransporte bereits in der Ukraine von Beamten oder nationalistischen Milizen an der Durchfahrt gehindert worden. Trotz Verständigung auf höchster Regierungsebene geriet jede Passage durch das Land zu einem unkalkulierbaren Wagnis. Seit Anfang Februar gesellt sich ein weiteres Problem hinzu: Polen gestattet russischen Lkw nicht mehr, in das Land in Richtung Westeuropa durchqueren. Auch aus Westeuropa zurückkehrende Transporte dürfen nicht mehr durch Polen fahren. Hintergrund sind Streitigkeiten zwischen beiden Ländern über Transportgenehmigungsquoten. Einige Medien sprechen bereits von einem »Lkw-Krieg«. Die Lage ist vergleichbar mit 2011. Damals gab es schon einmal Streit zwischen Polen und Russland. Daran kann sich auch Folke Grammerstorf, General-Manager bei der Fährreederei DFDS Seaways Baltic in Kiel, erinnern. Wie damals wird auch jetzt wieder die Fährverbindung zwischen Kiel und dem litauischen Klaipeda zur Ausweichroute im Transitverkehr mit Russland. Für diesen Transfer müssen die Lkw-Fahrer allerdings bis zu fünf Tage Wartezeit in Kauf nehmen. Zwar sind Trucker, die sich international bewegen, daran gewöhnt, lange unterwegs zu ein, doch diese Situation zehrt an ihren Nerven. Einer der Fahrer erzählt in Kiel, dass er für gefahrene Kilometer bezahlt wird, aber nicht, wenn sein Laster steht.

»Wir haben nur bestimmte Kapazitäten, die aber meist durch den regulären Verkehr mit den baltischen Staaten dauerreserviert sind«, sagt Fährmanger Grammerstorf. Jede DFDS-Fähre nimmt rund 140 Lkw mit. Man hat eine kleinere Fähre gegen eine größere getauscht, zusätzlich gibt es nun auch am Sonntag einen weiteren Abfahrtstag. Dadurch hat sich die Situation am Seehafen des Kieler Ostufers ein wenig entspannt, aber ein paar Tage Wartezeit bleiben die Regel. An einem Werktag kommen manchmal nur weniger als zehn russische Trucks mit. Fast 100 Fahrzeuge warten noch im Hafen. Zugmaschine an Zugmaschine besetzt die Parkfläche vor dem DFDS-Terminal, die Sattelzüge werden so lange abgekoppelt, bis die Fährpassage ansteht.

Inzwischen läuft die politische Diplomatie auf Hochtouren. Polen und Russland haben vorübergehend bis Mitte April je 20 000 grenzüberschreitende Transportgenehmigungen vereinbart. Doch inwieweit das den ins Stocken geratenen Transitverkehr wieder ins normale Rollen bringt, bleibt abzuwarten. Folke Grammerstorf sagt: »Wir merken, dass der Zulauf langsam geringer wird.« Zeitweise stauten sich in Kiel knapp 300 russische Lkw, im Hafen von Klaipeda zeigte sich am Abfahrtsterminal nach Kiel ein nahezu identisches Bild.

Auch die Fährverbindungen von Sassnitz nach Baltijsk und die Stena-Line von Lübeck-Travemünde in das lettische Ventspils werden von russischen Lkw genutzt.

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