Revanche der Oligarchen

In der Ukraine ist Premier Jazenjuk unbeliebt, bleibt aber dank mächtiger Interessenten im Amt

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.
Der unbeliebte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bleibt dank der großen Oligarchen in seinem Amt. Die Ukraine erlebte eine Revanche der Oligarchen.

»Ein besseres Parlament wird es nicht geben«, schloss Präsident Petro Poroschenko zu Wochenbeginn vorgezogene Neuwahlen aus. Doch wenn auch ein Misstrauensvotum gegen den Premier scheiterte, zerbrach doch die Regierungskoalition. Bis Mitte März muss sie eine neue Mehrheit finden. So bleibt Premier Arseni Jazenjuk trotz verbreiteter Unbeliebtheit vorerst im Amt.

Im Februar 2014 war er noch Hoffnungsträger. Während Vitali Klitschko Vertrauen verspielte und Julia Timoschenko nicht mehr die Menschen begeistern konnte, rückte der damals 39-Jährige in den Vordergrund. Ein junger Ministerpräsident, der als Wirtschaftsexperte gilt und fast perfekt Englisch spricht. Ein Vertreter der neuen Generation der ukrainischen Politik, in den auch im Westen große Erwartungen gesetzt wurden.

Am 16. Februar 2016 aber stand Jazenjuks Regierung vor dem Aus. Nicht nur Ukrainer, sondern auch westliche Partner waren von Jazenjuk enttäuscht. Die Chancen, dass er im Amt des Ministerpräsidenten bleiben könne, standen schlecht. Doch am Ende reichte es für die Absetzung von Jazenjuk nicht - und zwar deutlich. Mit 194 statt der nötigen 226 Stimmen blieb der Ministerpräsident in seinem Kabinett.

»Es gab einen Deal und die Absetzung wird wohl nicht erfolgen«, schrieb Mustafa Najem, Ex-Journalist und Abgeordneter der Werchowna Rada, kurz vor der Abstimmung auf Twitter. Das, was er sah, ist ein Spiegelbild der modernen ukrainischen Politik: Fraktionen und Parteien sind mehr oder weniger gleichgültig - es geht vor allem darum, welcher Interessengruppe Abgeordnete angehören. In diesem Fall verließen Abgeordneten, die den Oligarchen Rinat Achmetow, Ihor Kolomojskyj und Wiktor Pintchuk nahe stehen, vor der Abstimmung den Parlamentssaal.

»Die großen Oligarchen wären mit der Absetzung von Jazenjuk nicht zufrieden. Denn er war es immer, der ihre Interessen durchsetzte. Vor allem die von Rinat Achmetow«, sagt der Abgeordnete Serhij Lechtschenko, der zur Präsidentenfraktion Blok Poroschenko gehört. Die enge Verbindung zwischen dem ehemaligen Donbass-König, der immer noch der reichste Mann der Ukraine ist, und dem Premier wirkt auf den ersten Blick überraschend.

Allein 33 Stimmen des Oppositionsblocks, der eigentlich in strammer Opposition gegenüber der Regierung steht und stark von Achmetow kontrolliert wird, hätten zur Absetzung Jazenjuks gereicht. Doch seit dem Frühjahr 2015 gilt die Zusammenarbeit zwischen Achmetow und Jazenjuk als offenes Geheimnis. Mehrmals sollen sie sich vertraulich getroffen haben, obwohl sie keinesfalls als große Freunde gelten. »Jazenjuk ist aber eine Art Garantie für Achmetows Aktivitäten im Energiebereich«, meinen Najem und Lechtschenko übereinstimmend.

Nicht nur Achmetow versucht über Jazenjuk seinen Einfluss zu sichern. Für Ihor Kolomojskyj, der als Erzfeind des Donezker Oligarchen gilt, wurde der Ministerpräsident schon längst zur bedeutsamen Figur. Der Milliardär aus Dnipropetrowsk finanzierte zeitweilig Jazenjuks Partei Volksfront - und ist offenbar immer noch an der Finanzierung einiger Gruppen innerhalb der Fraktion beteiligt. Daneben kümmert er sich aber vor allem auch um die Finanzierung seines Parteiprojekts Ukrop. Jedoch ist für seine Aktivitäten der Verblieb von Jazenjuk letztlich genauso wichtig wie für Achmetow und Pintschuk.

Der derzeit wichtigste Oligarch des Landes, Präsident Petro Poroschenko, teilt dank seiner eigenen politischen Stellung die Probleme von anderen Großunternehmern wie Achmetow nicht. Laut der Zeitschrift Nowoje Wremja ist er sogar der einzige bedeutende Oligarch, der das Jahr 2015 mit Profit beendete. Er scheint zur Absetzung von Jazenjuk bereit zu sein.

Doch ob Oligarchen wie Achmetow dies akzeptieren, wird sich wohl erst Mitte März zeigen. Eine Sondersitzung vor der am 15. März beginnenden nächsten Sitzungswoche ist im Moment eher unwahrscheinlich. Zudem spricht die Rolle, die Oligarchen bis heute spielen, eher nicht für Veränderungen in der ukrainischen Politik.

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