Wieder willkommen und vereint
Folge 87 der nd-Serie »Ostkurve«: Das Flüchtlingsteam von Babelsberg 03 greift mit seinem Co-Trainer sportlich weiter an
Nur langsam kehrt wieder Alltag in das ohnehin oft turbulente Leben von Zahirat Juseinov ein. Der leidenschaftliche Fußballer stand am Mittwochnachmittag beim Training von Welcome United 03 in Babelsberg auf dem Platz - fast hätte der Co-Trainer sein Team jedoch nicht wieder gesehen. Juseinov, den in Potsdam viele als »Hassan« kennen, stand kurz vor der Abschiebung. Der Mazedonier hat nach fünfeinhalb Jahren in Deutschland noch immer keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung. Die Potsdamer Ausländerbehörde wollte seine Duldung Ende vergangener Woche nicht verlängern. Diese Nachricht sorgte nicht nur bei Juseinov und seiner Familie für Entsetzen. Der Mitbegründer der vielfach ausgezeichneten Flüchtlingsmannschaft erfuhr eine ungeahnte Welle der Unterstützung, die wohl dazu beitrug, dass Hassan vorerst bleiben darf.
Mehr als 3300 Personen aus dem Verein und seinem Umfeld, aber auch aus ganz Deutschland, haben sich bei einer Onlinepetition und auf ausliegenden Unterschriftenlisten inzwischen dafür ausgesprochen, Juseinov nicht abzuschieben. Sogar der Schauspieler Til Schweiger und der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) erklärten das Vorhaben öffentlich als widersinnig.
»Ich möchte mich bei allen bedanken, die uns unterstützt haben«, sagt der 35-jährige Hassan am Donnerstag dem »nd«. »Ich bin froh über die dreimonatige Verlängerung und dass ich weiter kämpfen kann.« Bis Ende Mai sind Juseinov, seine Frau Emel und die vier Kinder - die jüngste Tochter Ayschegün ist noch nicht einmal vier Monate alt - sicher. Die Familie hat die Brandenburger Härtefallkommission angerufen und hofft auf eine dauerhafte Lösung.
Die Chancen dafür stehen gut, denn Hassan ist ein Vorbild für die vielfach geforderte Integration von Migranten und Asylsuchenden. Er hat einen festen Job, spricht sehr gut Deutsch und bringt sich in verschiedenen sozialen Projekten ein. Bei Welcome United übernimmt Juseinov eine Vermittlerfunktion zwischen dem SV Babelsberg 03 und den Flüchtlingen. »Er ist eine wichtige Stütze für das Projekt und in Potsdam verwurzelt. Wir sind sehr froh, dass er bleiben darf«, sagt Thoralf Höntze, Marketingbeauftragter des SV Babelsberg 03 und einer von mehreren Betreuern von Welcome United. Höntze ist bei jedem Spiel dabei und initiierte die Unterschriftensammlung für Hassan. »Als wir von der drohenden Abschiebung hörten, mussten wir natürlich handeln. Fußball ist eine Sozialgemeinschaft«, sagte Höntze.
Für den SV Babelsberg gehört das Engagement auch jenseits der sportlichen Ziele traditionell zum Vereinsleben. Seit Jahren engagieren sich der Klub und seine Fanszene gegen Rassismus und Homophobie. Die Aufnahme eines Flüchtlingsteams vor eineinhalb Jahren war nur folgerichtig. Bis heute ist Welcome United ein unvergleichliches Team: Es ist noch immer die einzige Großfeld-Mannschaft im Spielbetrieb, in der ausschließlich Flüchtlinge spielen. Die Hoffnung, dass andere Vereine dem Beispiel folgen, hat Thoralf Höntze inzwischen jedoch aufgegeben. Immerhin hätten viele Vereine bereits Flüchtlinge in ihre bestehenden Strukturen integriert. Welcome United wächst dagegen als eigenständiges Projekt weiter. 35 Flüchtlinge haben bereits Spielerpässe, etwa 20 weitere trainieren regelmäßig in der zweiten Mannschaft und seit Herbst bietet Babelsberg auch unbegleiteten Minderjährigen eine Übungseinheit pro Woche an. 20 bis 30 Kinder und Jugendliche werden teils von anderen Flüchtlingen trainiert, teils von Nulldrei-Fans.
Im ersten Team von Welcome United geht es längst um mehr als Freizeitkicken: Seit Saisonbeginn spielen die Männer aus Syrien, Somalia, Serbien und anderen Ländern in der Kreisklasse. Zu Beginn der Rückrunde steht das Team auf dem zweiten Tabellenplatz. Am Sonntag bestreitet die Auswahl die erste Partie der Rückrunde gegen Grün-Weiß Golm II. Hassan ist zuversichtlich: »Wenn wir als Team auftreten, können wir erfolgreich sein.« Diese Philosophie versucht er schon länger, seinen Spielern zu vermitteln. Jetzt hat sie noch einmal besonders an Bedeutung gewonnen. Genau wie der durch eine Fernsehdokumentation legendär gewordene Ausspruch von Thoralf Höntze: »Am Ende gewinnen immer die Guten. Und das sind eben wir.«
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