Grüne: Merkel muss türkische Medienpolitik ansprechen

Regierung in Ankara will Kontrolle über größte regierungskritische Zeitung übernehmen / Grünen-Chefin Peter: »Das gehört auf den Verhandlungstisch!«

  • Lesedauer: 2 Min.
Die Zeitung »Zaman« wird laut einem Agenturbericht unter Aufsicht der Justiz gestellt. Die Chefredakteurin des Schwesterblattes »Today's Zaman«, Sevgi Akarcesme, spricht vom »Ende der Pressefreiheit«.

Ankara. Die regierungskritische türkische Zeitung »Zaman« wird laut einem Agenturbericht unter Aufsicht der Justiz gestellt. Ein Istanbuler Gericht habe dies am Freitag angeordnet und werde eine neue Führungsriege für die Zeitung ernennen, berichtete die offizielle türkische Nachrichtenagentur Anadolu. Die Entscheidung fiel demnach auf Antrag der Istanbuler Staatsanwaltschaft.

Die Chefredakteurin des englischsprachigen »Zaman«-Schwesterblattes »Today's Zaman«, Sevgi Akarcesme, sagte der Deutschen Presse-Agentur in Istanbul am Telefon: »Das ist das Ende der Pressefreiheit in der Türkei, und das verstößt gegen unsere Verfassung.«

Akarcesme sagte weiter: »Das ist ein trauriger und beschämender Tag.« Der Schritt sei zwar erwartet worden. »Es ist nicht überraschend, aber das heißt nicht, dass es weniger schmerzhaft für die türkische Demokratie ist.« Die Chefredakteurin kritisierte, es gebe keine Rechtstaatlichkeit in der Türkei mehr. Die Treuhänder würden demnächst erwartet. »Wir arbeiten an der letzten Ausgabe unserer Zeitung. Wir versuchen, sie fertigzustellen, bevor sie ankommen.«

Simone Peter, die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, forderte die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) via Twitter auf, diesen Fall beim am Montag beginnenden EU-Türkei-Gipfel in Brüssel anzusprechen:

Türk. Regierung will Kontrolle über größte regierungskritische Zeitung übernehmen. Das gehört auch auf den Verhandlungstisch, Frau Merkel!

— Simone Peter (@peter_simone) 4. März 2016

Die Mediengruppe Zaman, zu der die Nachrichtenagentur Cihan gehört, soll der Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen nahestehen, einem Erzrivalen von Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Die Regierung in Ankara stuft die Gülen-Bewegung als »Terrorgruppe« ein.

Erdogan beschuldigt seinen Rivalen Gülen, Justiz und Polizei unterwandert zu haben, um einen »Parallelstaat« zu schaffen. Erdogans früherer Mitstreiter aus dem islamisch-konservativen Lager lebt seit Jahren in den USA.

Kritiker im In- und Ausland sehen eine zunehmende Unterdrückung der Pressefreiheit in der Türkei. Auf einer Rangliste zum Stand der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen liegt die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten. Dutzende Journalisten sind in dem Land inhaftiert. AFP/nd

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