Berlin: Überraschungen auf LINKE-Landesliste

Parteivorstand beschäftigt sich Sonntag mit Personalvorschlägen für neue Abgeordnetenhausfraktion / Unter Top 20 Plätzen nach »nd«-Informationen zwei Newcomerinnen / Westbezirksverbände scheitern mit Vorschlägen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Vorschlag für die Landesliste der Berliner Linksdpartei zur Abgeordnetenhauswahl im Herbst ist fertig. Endgültig gewählt werden die Kandidaten am Sonnabend in einer Woche in Adlershof von einer Landesvertreterversammlung. Konflikte sind programmiert.

Die Gerüchteküche in der Berliner Linkspartei brodelt. Namen und Listenplätze kursieren in der Partei - garniert häufig wahlweise mit Schmähungen oder Lob. Von »Tobsuchtsanfall« eines altgedienten Abgeordneten wird erzählt, mit dem dieser noch kurzfristig einen guten Listenplatz ergattert haben soll. »Ich vertraue auf die Weisheit des Landesvorstandes und der Personalfindungskommission«, sagt ein anderer Abgeordneter, dem von einigen Medien wohl fälschlicherweise ein Abstieg auf der Landesliste prognostiziert wurde.

Offiziell ist nichts. »Wir werden vor dem Beschluss des Landesvorstandes zur Landesliste weder Namen bestätigen noch dementieren«, sagt der Sprecher der Berliner Linkspartei, Thomas Barthel, dem »neuen deutschland«. Fakt ist: Der Vorschlag der Personalfindungskommission, die für die ersten 30 Plätze der Landesliste einen Vorschlag erarbeitet hat, liegt bereits seit vergangenem Montag auf dem Tisch. Die Einbezogenen waren angehalten, über den Vorschlag zu schweigen, bis an diesem Sonntag der Landesvorstand im Karl-Liebknecht-Haus auf seiner Klausur die Personalvorschläge erörtert hat.

Nach Informationen des »nd« bietet die Vorschlagsliste mit Blick auf die aussichtsreichen ersten 20 Plätze, die bei einem guten Wahlergebnis als erfolgversprechend gelten, wohl vor allem zwei Überraschungen. Zum einen: Im Spitzentrio mit dem designierten Spitzenkandidaten Klaus Lederer, und der Ex-Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher ist offenbar Hendrikje Klein mit dabei, die seit 2014 Fraktionsvorsitzende der LINKEN in der Bezirksverordnetenversammlung Lichtenberg ist. Klein dürfte kaum jemand auf dem Zettel gehabt haben. Dabei hat Klein Verwaltungserfahrung aus Brandenburg zu bieten und in den vergangenen Jahren mit dem Bürgerhaushalt in Lichtenberg gepunktet.

Die andere Überraschung ist wohl: Anne Helm. Die ehemalige Piratin soll nach Informationen des »nd« unter den Top 20 einen Platz erhalten haben. Helm hatte sich vor kurzem gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus, Martin Delius sowie 34 anderen ehemaligen Piraten für die LINKE ausgesprochen. Im Gegensatz zu anderen war Helm auch gleich in die LINKE eingetreten, für diesen öffentlich vollzogenen Schritt könnte sie jetzt offenbar mit einem aussichtsreichen Listenplatz belohnt werden. Weder Hendrikje Klein noch Anne Helm waren am Sonnabendmorgen für »nd« für eine Stellungnahme zu erreichen.

Unter den zehn ersten Plätzen der Landesliste finden sich vor allem Kandidatinnen und Kandidaten, die aus verschiedenen Gründen in der Berliner Linkspartei gesetzt sind: der Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf, beispielsweise, sein Bruder, der Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf sowie die Ex-Arbeitssenatorin Carola Bluhm, die es in ihrem Direktwahlkreis in Mitte mit dem SPD-Landesvorsitzenden Jan Stöß zu tun bekommt, und offenbar über die Landesliste abgesichert werden soll. Zugleich ist der vordere Listenplatz auch als Unterstützungssignal für Bluhm zu werten. Hinzu kommen die Landesgeschäftsführerin und Wahlkampfleiterin Katina Schubert, der Parlamentarische Geschäftsführer im Abgeordnetenhaus, Steffen Zillich sowie die sozialpolitische Sprecherin Elke Breitenbach.

»In anderen Zusammenhängen würde man von Clan-Strukturen sprechen«, ätzt ein Funktionär mit Blick auf die ersten zehn Listenplätze, wie so viele in diesen Tagen will er aber seinen Namen nicht in der Zeitung lesen. Doch nicht nur aus Parteikreisen, sondern auch aus der Fraktion gibt es Vorbehalte gegen den Listenvorschlag. »Fachpolitik spielt keine Rolle mehr – Generallisten und die am unkritischsten mit der Regierung umgehen, die sind auf der Liste mit dabei«, schimpft ein Mitglied der Fraktion, das selber »Pappesatt« ist. Das Fraktionsmitglied vermutet, dass mit Blick auf eine rot-rote-(grüne) Koalition besonders zuverlässige Genossen ausgewählt worden seien.

Dass viele der jetzt offenbar bewusst aus der aktuellen Fraktion Geschassten in Ostberlin durch Direktwahlkreise gute Chancen haben, erneut ins Abgeordnetenhaus zu ziehen, beruhigt die Betroffenen nur wenig. Denn die LINKE hat im Osten der Stadt ein Problem, das es so früher nicht gab: die extrem rechte Alternative für Deutschland (AfD). Die Rechtspopulisten hetzen gegen Flüchtlinge und die Wähler goutieren das offensichtlich. Sicher geglaubte Direktwahlmandate könnten durch Stimmenwanderung von der LINKEN an die Rechten verloren gehen, da dadurch die Chancen für Kandidaten anderer Parteien wie beispielsweise der SPD steigen.

Aber nicht nur im Fernen Osten wird hinter vorgehaltener Hand über den Listenvorschlag geschimpft, sondern auch im Westen. Dass der aufstrebende Bezirksverband Neukölln beispielsweise mit seinen Personalvorschlägen abblitzte, genau wie zum Teil der Ost-West-Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg dürften in der kommenden Woche für weitere Aufregung in der Partei sorgen. Dieser Konflikt zeichnete sich bereits im vergangenen Jahr ab, als die Partei über Bezirkslisten versus Landesliste stritt. Auf beiden Seiten sieht man Absprachen von damals als verletzt an, verschiedene Briefe diesbezüglich wurden bereits in den vergangenen Tagen hin und her geschickt. Wirklich überraschend kommt das Abblitzen der Westbezirksverbände allerdings nicht, aus Parteiführungskreisen war das Vorgehen im Vorfeld angedeutet worden.

Die neuerlichen Debatten in der Linkspartei drohen unterdessen den Wahlkampfauftakt am kommenden Wochenende zu verhageln. Sicherlich dürfte es aufgrund von Unzufriedenheiten auch Kampfkandidaturen um Listenplätze geben. Weiteren Zündstoff bietet darüber hinaus das Wahlprogramm, das einige für zu regierungsfreundlich halten. Für den designierten Spitzenkandidaten Klaus Lederer könnte der Personalzwist ein gedrücktes Wahlergebnis zur Folge haben – das hat die Parteispitze aber offenbar aber seit längerem einkalkuliert.

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