Nie wieder Krieg der Autokonzerne

Stephan Krull fordert eine soziale wie ökologische Neuausrichtung von Volkswagen

  • Stephan Krull
  • Lesedauer: 3 Min.

Der millionenfache Abgas-Betrug von Volkswagen wird das Unternehmen sehr viel Geld kosten. Selbst die Existenz dieses unumstößlich geglaubten Weltkonzerns ist nicht mehr gesichert. Dramatische Auswirkungen sind schon jetzt sichtbar: Leiharbeiter werden nicht weiter beschäftigt, Werkvertragsunternehmen gekündigt, Kommunen revidieren Haushaltspläne und streichen Investitionen. Im VW-Werk in Mexiko, von wo der US-Markt beliefert wird, sind Produktion und Absatz bereits um fast die Hälfte eingebrochen.

Das Krisenmanagement des Konzerns ist katastrophal - es wird geleugnet und verharmlost. Ein paar Ingenieure hätten den Betrug ausgeheckt; der Vorstand sei bereits seit zwei Jahren informiert, habe die Information aber vielleicht nicht gelesen; die juristischen »Berater« hielten das Problem für gering und beherrschbar - so die jüngsten Erklärungen von VW. Wahr ist, dass die Zielvorgaben des Konzerns bei den Schadstoffemissionen nicht anders als durch Betrug zu erreichen waren. Profitiert hat davon neben dem Porsche-Piëch-Clan auch der Terrorstaat Katar als einer der Hauptaktionäre.

Angesichts dieser nun existenziellen Krise des Autobauers ist eine Neuausrichtung notwendig. Dafür sollten Linke und GewerkschafterInnen sich stark machen, dafür sollten die IG Metall und der Betriebsrat gewonnen werden. Extraprofite, die der Betrug erzielte, müssten für die Schadensregulierung herangezogen werden. Hohe Beiträge für den anstehenden Konzernumbau sind von den Großaktionären zu fordern, selbst eine Enteignung entsprechend Artikel 14 Grundgesetz müsste geprüft werden. Währenddessen setzen die Eigentümer und Manager derzeit weiter auf Sieg im Krieg der Autokonzerne mit immer größeren, schnelleren, stärkeren, teureren Autos, mit Elektronik, Digitalisierung und »autonomem Fahren«.

Bei einer Neuausrichtung geht es um soziale wie technische, ökologische und ökonomische Fragen. Dreh- und Angelpunkt müssen die begrenzten Ressourcen, die Reduktion der Klimabelastung und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen nach einer intakten Umwelt und sinnvollen Fortbewegung sein: Volkswagen müsste ein Mobilitätsanbieter mit modernen, sicheren und ökologisch-nachhaltigen Verkehrsmitteln für Personen und Güter auf Straße und Schiene werden. Solche Verkehrsmittel müssten überwiegend öffentliches Eigentum sein, die allen zur Verfügung stehen und den regionalen Bedingungen in Megacitys wie in dünn besiedelten Regionen der Welt angepasst sind.

Ein solcher Paradigmenwechsel hätte weitreichende Konsequenzen für Produkte, Produktion und Produzenten. Er wäre nur in einem längeren und beteiligungsorientierten Prozess durchzusetzen. Ein Neustart wäre Teil einer gesellschaftlichen wie ökologischen Wende. Zu klären wäre in diesem Prozess die fundamentale Frage der Verfügung über die Produktionsmittel. VW mit seiner Geschichte als teil-öffentliches Unternehmen ist prädestiniert für solche Debatten, bei denen es um Wirtschaftsdemokratie und Mitbestimmung geht.

Die niedersächsische Landesregierung ist mit einer Beteiligung von 20 Prozent einer der bestimmenden Aktionäre bei VW. Ihre Sprachlosigkeit in dieser Krise ist Ausdruck einer Ideen- und Konzeptionslosigkeit. Längst müsste sie im Bündnis mit IG Metall und Betriebsrat aktiv sein.

Wenn nämlich der Abgas-Betrug nicht zu einer Wende in der Produktpolitik und in der Jagd auf Maximalprofite führt, wenn nicht sinnvolle gesellschaftliche Planung durchgesetzt wird, steuert das Unternehmen wie die Automobilindustrie insgesamt auf eine ökonomische, soziale und ökologische Katastrophe zu: In Detroit ist zu besichtigen, wie Städte nach dem Zusammenbruch zu Industriebrachen und sozialen Trümmerfeldern werden.

Diese Zusammenhänge zu erkennen und zu diskutieren ist anspruchsvoller als verbale Solidarität mit den Beschäftigten und das Einfordern von Beschäftigungsgarantien. Es ist Aufgabe der gesellschaftlichen Linken, solche Forderungen zu entwickeln, sie in Belegschaften und Gewerkschaften zu diskutieren und ihnen zum Durchbruch zu verhelfen. So gewendet, birgt der Betrugsskandal durchaus Chancen. Es liegt an den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften, an der Linken, an der internationalen Solidarität und an globalen Klimaallianzen, ob diese Chancen genutzt werden. Die Alternative dazu wäre eine Marktbereinigung zulasten von vielen Städten und Gemeinden, von Hunderttausenden Beschäftigten.

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