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Odessa: Selenskyjs Stadtstreich
Die Absetzung des Odessaer Bürgermeisters ist eine Gefahr für die Demokratie, meint Daniel Säwert
Wolodymyr Selenskyj formt die Ukraine weiter nach seinem Gusto um. Jetzt hat es mit Hennadij Truchanow den Bürgermeister der Schwarzmeermetropole Odessa getroffen. Der soll angeblich einen russischen Pass besitzen, ein Vorwurf, der ihn seit seinem Amtsantritt 2014 verfolgt und den Truchanow stets von sich gewiesen hat. Jahrelang störte sich auch Selenskyj nicht an dem Vorwurf. Bis jetzt. Per Dekret entzog er Truchanow die ukrainische Staatsbürgerschaft und damit auch seinen Bürgermeisterposten.
Truchanow ist nicht das erste Stadtoberhaupt in der Ukraine, das wegen Selenskyj abtreten muss. Dabei ist der Oddesit beileibe kein Unschuldslamm. Allein wegen seiner dubiosen Geschäfte gäbe es genügend Gründe, gegen ihn vorzugehen. Selenskyj aber wollte den größtmöglichen Skandal, und größer als Russlandverbindungen geht es nicht. Dafür ist er sich auch nicht zu schade, seinen Geheimdienst fristgerecht einen gefälschten russischen Pass präsentieren zu lassen.
Dass Selenskyj als Nachfolger des demokratisch legitimierten und beliebten Truchanow einen treuen Gefolgsmann einsetzt und die zivile Verwaltung durch eine militärische ablöst, zeigt den zunehmenden Glauben des Präsidenten an die Unantastbarkeit. Der Sonnen(blumen)-König hat den nächsten Schritt zur Allmacht in der Ukraine getan. Man habe den letzten Tag der lokalen Selbstverwaltung erlebt, monierten Kritiker. Für die Menschen in Odessa und die Demokratie in der Ukraine verheißt das nichts Gutes.
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