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Details zur Kinderarmut unerwünscht

SPD und CDU im Schweriner Landtag lehnen Statistik zur Bedürftigkeit junger Menschen ab

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine landeseigene Statistik, die bei der Bekämpfung von Kinderarmut helfen kann, hatten die Nordost-LINKE beantragt. Das Vorhaben scheiterte an Rot-Schwarz.

»Wollen sie den Vollkorn-Anteil an der Nahrung erfassen? Oder ob das Kind ein Fernsehgerät besitzt und wie alt dieses ist?« Es klang schon hämisch, wie der familienpolitische Sprecher der SPD im Schweriner Landtag bei der Linksfraktion nachbohrte, was für Daten ihrer Ansicht nach zum Feststellen von Kinderarmut nötig seien. »Datenschutzrechtliche Bedenken« führte der Abgeordnete gegen eine Statistik zur Bedürftigkeit der jüngsten Bewohner Mecklenburg-Vorpommerns ins Feld. Sodann wartete der Politiker während der Plenarsitzung am Donnerstag mit einer Erkenntnis auf, die wohl kaum jemanden überraschte: »Die Armut von Kindern erwächst immer aus der Armut der Eltern.«

Diese Binsenweisheit reicht der LINKEN nicht. Sie möchten durch eine landeseigene Statistik Details zur Kinderarmut erfahren, damit gezielte Maßnahmen gegen diesen Missstand entwickelt werden können. Er spiegelt sich in einer bitteren Zahl wider: Knapp 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen im Nordosten galten 2014 als arm. Zwar hat sich diese Quote verringert - 2005 lag sie noch bei 34 Prozent. Doch es könne keine Entwarnung gegeben werden. Mecklenburg-Vorpommern zähle nach Bremen und Sachsen-Anhalt weiter zu den ärmsten Ländern, betonte Jacqueline Bernhardt, in der Linksfraktion für Familienpolitik zuständig. Sie hatte neben der Statistik einen weiteren Wunsch in ihrem Antrag formuliert: Der Landtag möge die Regierung auffordern, im Sinne der Chancengleichheit allen Kindern frühestmöglich den Zugang zu Kindertagesbetreuung zu sichern und Flüchtlingsfamilien dabei besonders zu unterstützen.

Für die NPD-Fraktion war das Erwähnen Schutz suchender Menschen aus anderen Ländern offenbar ein willkommener Anlass, die Linksfraktion einer »inländerfeindlichen« Haltung zu bezichtigen. Auch vom Volk, das »dem Untergang geweiht« sei, faselten die Rechtsradikalten in vertrauter Manier. Wieder gab es gegen sie am Sitzungstag wegen verbaler Entgleisungen mehrere Ermahnungen vom Präsidium des Landtages.

Die rot-schwarze Koalition, so Jacqueline Bernhardt, sehe nicht, wie arme Kinder und Jugendliche vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sind. Junge Menschen, die etwa auf Kino oder Musikschule verzichten müssen. Auch sei SPD und CDU nicht bewusst, dass in Familien mit Migrationshintergrund die Kinder mehr als doppelt so häufig von Armut betroffen sind wie ihre in Deutschland aufgewachsenen Altersgenossen. Zahlen dazu lägen der Regierung nicht vor, weil eine entsprechende Statistik fehle. »Wie wollen sie dann gezielte Maßnahmen vornehmen, die passgenau auf die Regionen abgestimmt sind?«, fragte die LINKE-Frau.

Das Land brauche keine eigene Statistik, gab Sozialministerin Birgit Hesse (SPD) zu verstehen. Es gebe ausreichend externe Studien. Gleicher Meinung war die CDU, und ihr Abgeordneter Detlef Lindner posaunte: »Wir tun alles dafür, dass es unseren Jüngsten gut geht.« »Entscheidende Schritte gegen Kinderarmut« rühmte der Politiker, erwähnte dabei unter anderem die Entwicklung beim Arbeitslosengeld II. Anfang des Jahres war es für Kinder um drei Euro pro Monat erhöht worden. Viel mehr, als einmal im Monat statt Billigspaghetti solche mit Vollkorn-Anteil zu servieren, werden bedürftige Eltern mit dieser »Segnung« wohl nicht verrichten können.

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