Kraftwerk auf dem Gemüseacker

Senegal setzt auf Kohleverstromung und stößt damit auf Widerstand in der Bevölkerung

  • Bernard Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Senegal hat die höchsten Energiepreise Afrikas. Ausgerechnet Kohlekraftwerke sollen das ändern - mit Steinkohle aus Südafrika und Technologie aus Indien.

Am flachen Atlantikstrand, unweit der senegalesischen Hauptstadt Dakar, ist der Klimawandel keine Theorie. Jahr für Jahr rückt der Ozean in Kayar zwei Meter ins Landesinnere vor. Doch für viele EinwohnerInnen gibt es kaum ein Entrinnen: Selbst wenn sie ihre Häuser einige Meter weiter hinten aufbauen könnten, würde der alsbald angrenzende Wald sie daran hindern. Der jedoch ist unabdingbar, er bietet verlässlichen Schutz gegen das Abtragen der Küste und das Vordringen des Meeres.

Umso schlimmer, dass nun eine neue Gefahr droht: Um die Energieprobleme des Landes zu lösen, will die Regierung mehrere Kohlekraftwerke an der Küste errichten lassen, insgesamt neun. Die größte Einheit soll in Kayar rund sechzig Kilometer nördlich von Dakar entstehen, mit einer Leistung von 350 Megawatt. Weiter nördlich, in Mbour, soll ein 250-Megawatt-Kraftwerk hingestellt werden und in Bargny, etwa dreißig Kilometer südöstlich der Hauptstadt, eins mit 125 Megawatt Leistung.

Sollte der Plan umgesetzt werden, verdoppeln sich die Stromerzeugungskapazitäten und Senegals CO2-Emissionen erhöhen sich um 30 Prozent. Die Energieversorgungsprobleme sind echt: Der Strompreis zählt zu den höchsten in Afrika. Zudem wächst der Bedarf jährlich um acht Prozent. Bislang werden 90 Prozent des Stroms aus Öl erzeugt. Steinkohle zu verbrennen, würde nur halb so viel kosten. Südafrika bietet an, den Rohstoff zu liefern. Nun könnte man aus guten Gründen glauben, das Verfeuern von Steinkohle sei gerade nach der Pariser Klimakonferenz eine überholte Technologie. In dem westafrikanischen Küstenland wären die Voraussetzungen zudem prächtig, um Energie aus Sonnen und Meer zu gewinnen. Doch die wirtschaftsliberale Orientierung des 2012 gewählten Präsidenten Macky Sall und kurzfristige »Effizienz«erwägungen stehen dem entgegen.

Für die Kohlekraftwerke hat die Regierung in Dakar Verträge mit multinationalen Konzernen geschlossen. In Kayar ist das - im Auftrag des nationalen Energieunternehmens Senelec, - das indische Unternehmen Jindal Steel & Power. Der Vertrag wurde vor einem Jahr unterzeichnet. In Bargny ist der südkoreanische Energieversorger KEPCO am Start und in Mbour der kanadische Konzern Africa Energy. Für ein 300-MW-Kraftwerk in Sao Mékhé, nur fünfzehn Kilometer von Kayar entfernt, liegen weitere Pläne vor.

Doch vor Ort gibt es massiven Widerstand, vor allem in Kayar und Bargny. Mehrere Demonstrationen und öffentliche Versammlungen fanden statt. In Kayar reiste der Energieminister an und versuchte, den Unmut zu beruhigen, in Bargny wurde eine Klage vor dem Obersten Gerichtshof des Landes angekündigt.

Der senegalesische Fernsehsender Walf TV berichtete über die Proteste in Kayar, als Landvermesser des Jindal-Konzerns auf Äcker der ansässigen Bevölkerung eingedrungen waren, um den Bau vorzubereiten. Die Anwohner fürchten den Verlust einer ausgezeichneten Anbaufläche von 700 Hektar, aber auch die Verschmutzung und Zubetonierung der Küstengewässer durch den Bau eines ebenfalls erforderlichen Kohlehafens.

Souleymane Sow aus Kayar, Kommunalparlamentarier und Leiter der Asufor, einer Vereinigung, die sich um die Trinkwasserverteilung im ländlichen Raum kümmert, erklärte gegenüber »nd«: »Aufgrund der Fruchtbarkeit zieht Kayar während der Anbauperiode von November bis Juni Wanderarbeiter aus ganz Westafrika an. In dieser Zeit steigt die Einwohnerzahl von 20 000 auf 35 000. Nachdem Hunderte Jugendliche aus der Region ihr Leben für eine Überfahrt auf die Kanarischen Inseln riskiert hatten, fanden sie hier Lebensmöglichkeiten durch Fischfang und Landwirtschaft.« Würde das Kohlekraftwerk errichtet, »dann würde dies alle Anstrengungen zerstören, um aus Kayar eine wirtschaftlich und ökologisch lebensfähige sowie sozial gerechte Stadt zu machen.« Getragen wird der örtliche Widerstand durch die Vereinigung der Gemüsebauern AMPC sowie der jungen Fischer. »Der indische Investor ist bereit, den Gemüsebauern kolossale Abfindungszahlungen anzubieten, aber wir sagen, wir ziehen unser Land und unsere Gesundheit den schmutzigen Millionen vor«, sagt Sow.

Der dortige Bürgermeister, Ndiasse Ka, zeigt hingegen bislang taube Ohren und behauptet, es komme nicht in Frage, »ein Projekt von nationalem Interesse zu opfern«. Er träumt von »Millionen«, die in die Gemeindekassen fließen sollen.

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