Unternehmen wollen länger arbeiten lassen

Lobbyverband BDA stellt Rente mit 67 in Frage und fordert »Flexibilität« bei der Arbeitszeit - »auch einmal über zehn Stunden hinaus«

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Berlin. Es gibt gute Gründe für eine Neuverteilung der Arbeit. Aber nicht in die Richtung, auf die nun erneut die Lobby der Unternehmen drängt: Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände stellt die ohnehin schon auf 67 hinausgeschobene Rente ebenso in Frage wie die Begrenzung der Arbeitszeit am Tag. »Das Arbeitsleben wird länger gehen müssen, sonst bricht am Ende das System zusammen«, behauptete BDA-Präsident Ingo Kramer gegenüber der Funke-Mediengruppe. »Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir irgendwann nicht mehr mit 67 Jahren in Rente gehen können.«

Die Rentengesetzgebung sei mit Blick auf die demografische Entwicklung seiner Meinung nach falsch, so Kramer. »Betrachtet man die Alters- und Gesundheitsentwicklung, dann werden wir als Gesellschaft den Belastungen des Arbeitsmarkts immer länger standhalten können.« Das bedeute nicht, dass jemand nicht früher in Rente gehen könne, wenn er nicht mehr in der Lage sei, zu arbeiten. »Aber es gibt auch die Verpflichtung, seine Leistungsfähigkeit zur Verfügung zu stellen, wenn man später eine staatliche Rente beziehen will«, sagte Kramer.

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte Kramer zudem, es solle »möglich sein, auch einmal über zehn Stunden hinaus zu arbeiten und den Ausgleich hierfür an anderen Tagen zu nehmen«. So sollte das Arbeitszeitrecht von einer Tageshöchstarbeit auf eine Wochenarbeitszeit umgestellt werden. »Es geht nicht darum, die Arbeitszeiten pauschal zu verlängern, sondern flexibler auf die Wochentage verteilen zu können.« Diese Idee wolle man bei einem »Dialog« zum Thema einbringen, den Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles von der SPD für die kommenden Monate angekündigt hatte.

»Ein wichtiges Anliegen der Arbeitgeber ist ein flexibles Arbeitszeitgesetz«, so Kramer. Auch neue staatliche Regelungsmöglichkeiten zu Gunsten der Beschäftigten lehnte er ab. Das Arbeitszeitgesetz müsse mehr Raum für tarifliche und betriebliche Regelungen lassen. »Mindestens genauso wichtig ist, dass der Gesetzgeber nicht noch mehr als bislang schon in betriebliche Arbeitszeitgestaltungen hineinregiert.«

DGB-Vorstand Annelie Buntenbach forderte dagege ein »Recht auf Logoff«. »Jeder muss die Möglichkeit haben, sich aus der Arbeit auch wirklich in Freizeit auszuklinken«, sagte sie der dpa. Nötig seien auch bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten. Beschäftigte bräuchten einen rechtlichen Anspruch, die Lage der Arbeitszeit mitzubestimmen. Etwas anders äußerte sich die IG Metall. Flexible Arbeitsmodelle werden nach Einschätzung des bayerischen IG-Metall-Chefs Jürgen Wechsler auch in der produzierenden Industrie immer wichtiger für die Beschäftigten. Um im Wettstreit um Fachkräfte mithalten zu können, müssten die Firmen auch für Beschäftigte in Werkshallen oder an Fließbändern neue Angebote schaffen, sagte Wechsler. »Es geht um die Frage: Wer bestimmt über die Zeit?«

Natürlich seien flexible Modelle wie die Arbeit im Homeoffice für viele Berufsgruppen in der Industrie nicht möglich. Denkbar seien aber beispielsweise Modelle, in denen sich intensive Arbeitsphasen mit längeren Freizeitblöcken abwechselten oder auch das Teilen einer Stelle (Job-Sharing). Auch ständig wechselnde Schichten nach einem festgelegten Rhythmus Früh-Spät-Nachtschicht seien für viele Beschäftigte unattraktiv und könnten durch neue Schichtmodelle abgelöst werden. Die IG Metall will das Thema »Lebensphasenorientierte Arbeitszeit« nach dem Ende der aktuellen Tarifrunde vorantreiben. Derzeit würden Ideen und Konzepte in den Bezirken gesammelt, sagte Wechsler. Agenturen/nd

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