100 Fragen für Putins Hotline

Russlands Präsident will, dass Russland mit den eigenen Problemen fertigt wird, und vielleicht eine Präsidentin

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Rund vier Stunden hatte Russland einen »Direkten Draht« zu seinem Präsidenten und 1,5 Millionen Fragen.

»Wir sind immer bereit, die Hand der Freundschaft zu reichen. Aber wenn jemand beschlossen hat zu ertrinken, ist ihm nicht mehr zu helfen«, lautete die kürzeste Antwort auf insgesamt fast 100 Fragen, die Wladimir Putin in seiner TV-Bürgersprechstunde am Donnerstag beantwortete. Eine Zwölfjährige hatte wissen wollen, wem der Kremlchef beistehen würde, sollten die Präsidenten der Türkei und der Ukraine - Recep Tayyip Erdoğan und Petro Poroschenko - gleichzeitig in Seenot geraten.

Bei seinem Amtskollegen in Kiew war Putin sich so sicher nicht. Moskau habe all seine Verpflichtungen aus den Minsker Abkommen erfüllt, in Kiew dagegen würde die Umsetzung »hängen«. Die OSZE sollte die Zahl der Beobachter in der Ostukraine erhöhen und - falls nötig - mit Schusswaffen ausstatten, um einen totalen Waffenstillstand durchzusetzen. Vor allem aber müsste der Westen seinen Einfluss auf die Regierung in Kiew geltend machen.

Durchaus versöhnlich klang, was der Kremlchef auf die Frage einer ebenfalls sehr jungen Schülerin, zu sagen hatte. Die hatte ihren Vater mit den Worten zitiert, mit Amerika könne nur Putin fertig werden. Russland, so entgegnete dieser, müsse nicht mit Amerikas, sondern mit seinen eigenen Problemen fertig werden.

Gelächter, Szeneapplaus. Souverän Volk will informiert und auch unterhalten werden. Putin, der gestern bereits zum 14. Mal auf Fragen antwortete, die den Menschen zwischen Kamtschatka und Kaliningrad unter den Nägeln brennen, bekam das sauber hin. Elegant nahm er auch eine andere Hürde: Wie verbreite ich bei brisanten Fragen Optimismus und Zuversicht, ohne mich bei kostspieligen Zusagen festzulegen, und was kann ich meinen Wählern an bitteren Wahrheiten zumuten?

Bei der Hotline geht es traditionell vor allem um Innenpolitik: Korruption und Business, bezahlbarer Wohnraum, die Fußball-WM 2018, pünktliche Zahlung von Löhnen, Gehältern und Renten, schlechte Straßen, Bildung und Gesundheit. Die Preise in den Apotheken seien inzwischen so hoch wie in Juwelierläden, klagte ein Rentner.

Als Zuschauer waren weit über 1000 Gäste handverlesen, darunter auffallend viele Beamte und Offiziere. Schon vor Beginn der Hotline waren im Call-Center mehr als 1,5 Millionen Fragen eingegangen. Erstmals konnten sich die Bürger über den russischen Facebook-Analog Vkontakte per Video-Anruf direkt an ihren Präsidenten wenden. Davon machten vor allem Russen unter 30 Gebrauch.

Ob er 2018 für eine weitere Amtszeit kandidieren wird, ließ er offen. Zuvor hatte er eingeräumt, mit einer Frau als Präsidentin würde Russland womöglich besser fahren.

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