Rente sich, wer kann

Die SPD will die Probleme der Altersvorsorge zum Wahlkampfthema machen, die Union reagiert gespalten

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Seltsame Koalition: SPD und CSU wollen eine Rentenreform, um Altersarmut zu verhindern. Die CDU will nur eines - das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten.

Die SPD sucht verzweifelt nach zündenden Themen für den anstehenden Bundestagswahlkampf. Parteichef Sigmar Gabriel ist nun offenbar fündig geworden. Der »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung« sagte er: »Wahlkampf macht man am besten über wichtige gesellschaftliche und ernst gemeinte Sachfragen. Und die Rente ist so eine ernste Sachfrage.« Seine Parteigenossin, Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), hat sich der Frage bereits angenommen und plant eine Reform bei den Betriebsrenten sowie eine sogenannte Lebensleistungsrente für Menschen mit niedrigen Einkommen. Gabriel ging einen Schritt weiter und stellte am Sonntag eine umfassende Reform in Aussicht, um das Rentenniveau stabil zu halten. SPD-Vize Ralf Stegner wurde konkreter und schlug ebenfalls in der »FAS« vor, den Niveauerhalt dadurch zu finanzieren, dass man die Mütterrente aus Steuermitteln und nicht wie bisher aus der Rentenkasse bezahlt. Der Parteilinke kann sich auch vorstellen, die bislang auf 25 Prozent gedeckelte Kapitalertragssteuer umzuwandeln in eine individuelle Steuer mit progressiven Steuersätzen. Somit würden Einkommen aus Spekulation ähnlich besteuert wie Einkommen aus eigener Arbeit. Eine kleine Revolution.

Dass ausgerechnet die SPD sich nun zur Vorkämpferin in Sachen Rentengerechtigkeit macht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Es waren die Genossen, die mit der Riester-Rente die private Vorsorge zum zweiten Säule des Systems machen wollten. Auch der Beschluss, das Rentenniveaus bis 2030 auf 43 Prozent zu drücken, wurde von einer SPD-geführten Bundesregierung getroffen. Erste Prämisse der Rentenreformen war die Deckelung der Beiträge, nicht die Verhinderung von Altersarmut. Es ging darum, die Arbeitgeber, die die Hälfte der Rentenbeiträge ihrer Angestellten zahlen, nicht weiter zu belasten.

SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider ist sich der Mitverantwortung seiner Partei offenbar bewusst. Im ZDF-Morgenmagazin warnte er am Montag davor, »jetzt groß an diesem System herumzudoktern und Dinge zu versprechen, die man am Ende nicht halten kann«. Das System aus staatlicher Rente, Betriebsrente und privater Vorsorge sei ausgewogen, so Schneider und betonte, das Kernproblem seien Geringverdiener, die eine Rente kaum über dem Niveau der Grundsicherung zu erwarten hätten. »Ich finde, wer lange gearbeitet hat, der muss mehr haben als derjenige, der nicht eingezahlt hat.« Dass die Hartz-IV-Reform von SPD-Kanzler Gerhard Schröder dem Ausbau des Niedriglohnsektors den Weg bereit hat, ließ Schneider unerwähnt. Die SPD will nun also die Folgen der eigenen Politik bekämpfen.

Aus der Union kommen sehr widersprüchliche Signale. CSU-Chef Horst Seehofer bezeichnet die Riester-Rente als gescheitert und lässt von seiner bayerischen Sozialministerin Emilia Müller ein eigenes Rentenkonzept erarbeiten. Darin könnte sich auch Seehofers Forderung wiederfinden, das Absinken des Rentenniveaus zu verlangsamen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will das Thema aus dem Wahlkampf heraushalten. Im CDU-Vorstand kündigte sie nach einem Bericht der Zeitungen der Funke Mediengruppe an, erst auf die CSU und dann auf die SPD zuzugehen, »damit wir im Wahlkampf nicht darüber streiten müssen«. Führende Köpfe der CDU wiesen die Forderungen von Seehofer und SPD zurück. In einem Gastbeitrag für die »Zeit« bezeichnete CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn am Freitag die Diskussion um eine Rentenreform als »paradox«. »Altersarmut ist für die heutige Rentnergeneration nicht wirklich ein Thema.« Als Staatssekretär im Bundesfinanzministerium arbeitet Spahn seinem Minister Wolfgang Schäuble zu, der in der letzten Woche die Rente mit 70 ins Spiel brachte. Andrea Nahles nahm die Vorlage dankbar auf und erklärte in der »Bild am Sonntag«, die Rente mit 70 komme »nicht, solange ich Arbeits- und Sozialministerin bin«.

Schäuble ist auch der größte Profiteur der nun anstehenden Rentenerhöhung. Durch das kräftige Plus müssen 160 000 Rentner erstmal Steuern zahlen. Schäuble kann sich deshalb im nächsten Jahr über 720 Millionen Euro zusätzlicher Steuereinnahmen freuen. Dies ergibt sich aus einer Antwort des Ministeriums auf Fragen des LINKEN-Abgeordneten Axel Troost.

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