Regiert von weißen Männern

Brasiliens Frauen fürchten nach Rouseffs Ablösung um Wahrung ihrer Interessen

  • Sebastian Smith, Brasília
  • Lesedauer: 2 Min.

Kaum ist Brasiliens Übergangsregierung im Amt, hat sie schon das erste Imageproblem: Wo sind die Frauen? Ausschließlich weiß, männlich, wirtschaftsnah - so stellte Brasiliens vorübergehender Staatschef Michel Temer seine Regierungsmannschaft zusammen, nachdem er von seiner suspendierten Amtsvorgängerin Dilma Rousseff am Donnerstag das Zepter übernommen hatte. Nun ist Rousseff zwar nicht für ihren Kampf für Frauenrechte bekannt, ein großes Vorbild war und ist sie vielen Brasilianerinnen aber trotzdem.

»Das ist eine Regierung der weißen Männer und ziemlich beängstigend«, sagt der Rechtsexperte Ivar Hartmann von der Organisation FGV in Rio de Janeiro zu dem neuen Kabinett. »Zum ersten Mal seit der Diktatur (1964-1985) gibt es keine Frau im Kabinett. Das ist besorgniserregend.«

So sah das auch eine Gruppe von Demonstrantinnen, die vor dem Präsidentenpalast in Brasília lautstark protestierte, als Temer dort am Donnerstag zur Vorstellung seines Kabinetts eintraf. »Das zeigt die Illegitimität dieser Regierung«, sagte die 19-jährige Studentin Raquel Vasconcelos de Castro. »Es zeigt, dass sie das Volk nicht repräsentiert.«

Der 75-jährige Temer rief in seiner ersten Rede das Land zur Einheit auf. Er will Brasilien wieder »Glaubwürdigkeit« verschaffen. Doch angesichts der Tatsache, dass Frauen und auch Schwarze zwar einen beträchtlichen Teil Brasiliens ausmachen, jedoch nicht auf der Regierungsbank sitzen, stellt sich vielen die Frage, welche Einheit das sein soll.

Rousseff hatte bei der Wahl 2010 als erste Frau in Brasilien das höchste Staatsamt erobert. In der männerdominierten Politik des lateinamerikanischen Giganten stach die linke Politikerin hervor. Und auch wenn sie weder als feministische Wortführerin galt noch die Änderung männlich geprägter Strukturen zur Priorität erklärte, traten unter ihr Gesetze zum Schutz von Frauen vor Gewalt und für Quoten für Schwarze an Universitäten in Kraft.

Frauen und Schwarze waren auch in ihrem Kabinett präsent: Über ein Dutzend Ministerinnen berief Rousseff in ihre Regierung. Die schwarze Politikerin und Pädagogin Nilma Lino Gomes etwa ernannte sie zur Ministerin für Frauen, Menschenrechte und Rassengleichheit - diesen Posten schaffte Temer gleich wieder ab.

Die nun entlassene Agrarministerin Katia Abreu war den Tränen nahe, als sie Rousseff am Donnerstag als »ehrlich, fähig« und als »gute Frau« würdigte. AFP

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal