Macht er’s noch einmal?

Politiker der Großen Koalition werben bei Joachim Gauck für eine zweite Kandidatur

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Joachim Gauck ist Bundespräsident seit 2012. Eine zweite Amtszeit steht in den Sternen. Die Parteien der Großen Koalition werben nun um ihn - sie wollen keinen unnötigen Stress im Bundestagswahljahr.

Joachim Gauck ist ein Freund von Joachim Gauck. Wenngleich es seit Jahresbeginn heißt, der Bundespräsident werde sich erst im Frühsommer äußern, ob er zu einer zweiten Amtszeit antritt, und obwohl in Kommentaren darin seither gern die Vorbereitung eines »Nein« vermutet wird, dürfte er sich dem Werben der schwarz-roten Koalition nicht ohne Weiteres verschließen. Wie in Medienberichten verlautet, versuchen führende Politiker der Union und der SPD derzeit, Gauck in persönlichen Gesprächen zu überzeugen: Mach‘s noch einmal! Und auch 63 Prozent der Bundesbürger haben laut einer Umfrage bekundet, ihren Bundespräsidenten weitere fünf Jahre behalten zu wollen. Davon bleibt Joachim Gauck sicher nicht unbeeindruckt. Sofern seine Gesundheit es zulässt, wird er es machen. Joachim Gauck ist gern Bundespräsident. Und er sieht sich gern dabei zu. Eitelkeit ist eine Eigenschaft, die ihm nicht nur allgemein zugeschrieben wird, sondern die er wohl auch nicht bestreiten würde.

Man kann sogar darin Eitelkeit entdecken, mit welcher Chuzpe Joachim Gauck wechselseitig Freund und Feind irritiert. Dies hat ihm in den letzten vier Jahren zugleich die größte Anerkennung eingetragen und seinen Ruf als unabhängiger, freigeistiger und unbequemer Präsident gefestigt. Die Bundeskanzlerin war über ihn bereits ebenso verärgert wie die LINKE. Angela Merkel nahm Gauck angeblich übel, wie dieser seine Abneigung gegenüber dem russischen Präsidenten zu einer eigenen Russlandpolitik des Präsidialamtes entwickelte und eine Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Sotschi boykottierte. Die Linkspartei wiederum - und nicht nur diese, sondern etwa auch ehemalige Mitstreiter der DDR-Bürgerbewegung - empören sich bis heute über Gaucks letztlich spätimperiale Sicht auf die Rolle Deutschlands in der Welt. Mit einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014, in der er für mehr militärisches Engagement Deutschlands eintrat, sorgte Gauck für empörte Abwendung aller Gegner solcher westlichen Sicherheitsvorstellungen, die doch letztlich immer Dominanzstrategien sind. Auch staatliche Souveränität und der Grundsatz der Nichteinmischung dürften »gewalttätige Regime« nicht unantastbar machen, meinte Gauck in München. Staunend wiederum nahm ein größerer Teil der Gesellschaft zur Kenntnis, dass Gauck für mehr Wertschätzung gegenüber sowjetischen Kriegsgefangenen eintrat. Das war im vergangenen Jahr. Wenig später beschloss die Große Koalition die von der Linkspartei seit vielen Jahren geforderte Entschädigung der betroffenen, inzwischen freilich von 1,5 Millionen auf wenige Tausend geschmolzenen Personengruppe.

Schon vor seiner Wahl zum Bundespräsidenten im März 2012 hatte Gauck die Geister gespalten. Machtpolitisch wäre die Wahl durch die Bundesversammlung am 12. Februar 2017 für ihn allerdings kein Problem mehr. Denn während die LINKE, die ihm 2010 und 2012 die Zustimmung verweigerte, bei ihrer Ablehnung bleibt, hat Gauck den Rest der Bundestagsparteien nun hinter sich. Schon 2010 warfen die linken Kritiker ihm vor, den Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zu befürworten und überdies im Umgang mit ehemaligen DDR-Bürgern eine unversöhnliche und wenig differenzierte Sicht an den Tag zu legen. 2010 hatten auch die Konservativen Gauck als Kandidaten von SPD und Grünen noch abgelehnt. Als ihr Kandidat Christian Wulff in Folge einer Affäre um unangebrachte Zuwendungen zurücktrat, hatte Gauck schließlich auch die ihm ohnehin zugetanen Konservativen auf seiner Seite.

Eine ins Gespräch gebrachte Kandidatur von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier ist wohl inzwischen vom Tisch. Merkel lehne es ab, den SPD-Politiker ausgerechnet im Jahr der Bundestagswahl 2017 zu unterstützen, hieß es. Möglicherweise erschien der LINKEN hier eine Gelegenheit, bei SPD und Grünen um ein gemeinsames Vorgehen nachzusuchen. Jedenfalls äußerte Parteichef Bernd Riexinger im März entsprechende Vorstellungen. Doch keine der beiden Parteien tut ihm den Gefallen. SPD-Genossen werben nun selbst um Gauck. Und der Vorsitzende der Grünen Cem Özdemir machte im April klar, dass auch seine Partei Gauck ein weiteres Mal unterstützen würde. »Denn er führt dieses Amt mit Besonnenheit und Würde.«

Die LINKE allerdings bleibt bei ihrem strikten Nein. Gegenüber »neues deutschland« zeigt sich Riexinger beinahe verärgert. Die SPD sende mit der Bitte »Spiel‘s noch einmal, Joachim« keine Botschaft, dass sie an einem Politikwechsel interessiert sei. Riexinger: »Gaucks Kriegsrhetorik ist unerträglich. Innenpolitisch tritt Gauck nicht als soziales Gewissen auf. Wir haben ihn nicht gewählt und wir würden ihn erst recht kein zweites Mal wählen.«

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