Viele Urteile im Verkehrsrecht basieren auf Ausnahmeregeln

Verkehrsanwälte klären auf

  • Lesedauer: 3 Min.

Was im Straßenverkehr erlaubt ist und was nicht, lernt jeder Autofahrer für seinen Führerschein. Und doch gibt es etliche Ausnahmeregeln, die oft nur Richter und Verkehrsanwälte kennen.

So kann ein Anwalt dafür sorgen, trotz Bußgeldbescheid Punkte in Flensburg und ein Fahrverbot zu verhindern.

Was darf man alles im Auto?
Die Verkehrsanwälte klären auf, was im Auto erlaubt und was gesetzlich verboten ist. Nachfolgend dazu eine Auswahl:

 

Barfuß fahren: Mit nackten Füßen oder in Flip-Flops zu fahren, ist nicht verboten. Aber aufgepasst: Im Falle eines Unfalls droht eine Mithaftung, wenn der Fahrer kein festes Schuhwerk getragen hat.

Essen und trinken: Kein Problem, solange sich der Fahrer sicher fühlt und alkoholfreie Getränke konsumiert werden. Doch auch hier gilt: Wer bei der Fahrt isst und trinkt, muss bei einem Unfall damit rechnen, zumindest eine Mitschuld zu tragen.

Benzinkanister transportieren: Ein ordnungsgemäß gesicherter Kanister im Kofferraum kann sogar hilfreich sein, denn wegen Spritmangels liegenzubleiben ist eine Ordnungswidrigkeit. Größere Mengen sind allerdings verboten.

Laut Musik hören: Ob mit oder ohne Kopfhörer: Laute Musik ist erlaubt aber nur, sofern der Fahrer noch Umgebungsgeräusche wie etwa Martinshörner der Feuerwehr und Polizei hören kann.

Schön dekorieren: Manche stehen auf Fahnen oder Girlanden. Auch hier gilt: Hat der Fahrer freie Sicht nach vorne und auf beide Seitenspiegel, kann er sein Gefährt nach Belieben schmücken.

Bei Hochzeiten hupen: Auch wenn es eigentlich Notsituationen vorbehalten ist, wird Hupen zu besonderen Anlässen in der Regel toleriert. Bei einer Hochzeit oder einem gewonnenen EM-Spiel droht gewöhnlich kein Ärger mit der Polizei.

Tiere transportieren: Tiere dürfen im Auto nur mitfahren, wenn sie zum Beispiel in speziellen Boxen gesichert sind. Alles andere ist nicht nur verboten, sondern auch lebensgefährlich. dpa/nd

Die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) erläutert sechs kuriose Ausnahmeurteile und klärt auf, was man im Auto so alles (nicht) darf.

1. Ausnahme: Das Ende der Autobahn gibt kein Tempolimit vor

Wer das Schild Ende der Autobahn passiert, muss davon ausgehen, in einer geschlossenen Ortschaft zu sein und darf maximal 50 km/h fahren. So sah es das Amtsgericht Essen. Das Oberlandesgericht Hamm (Az. 5 RBs 34/15) hob das Urteil auf: Das Verkehrsschild zeigt demnach lediglich an, dass die besonderen Regeln für die Autobahn nicht mehr gelten, ordnet aber keine Geschwindigkeitsbeschränkung an. Fehlt eine Ortstafel, beginnt die Ortschaft erst mit der eindeutig erkennbaren geschlossenen Bauweise.

2. Ausnahme: Auch sichtbares Tempolimit kann übersehen werden

Wer trotz gut sichtbarer Geschwindigkeitsbegrenzung zu schnell gefahren ist, muss nicht immer mit einer empfindlichen Strafe rechnen: Das Oberlandesgericht Dresden (Az. Ss 427/13) hat entschieden, dass der Fahrer auch ein sichtbares Schild übersehen und somit lediglich unbewusst gegen die Verkehrsregeln verstoßen haben kann. Das hat zur Folge, dass er zwar ein Bußgeld zahlen muss, aber glimpflicher davonkommt als bei einer vorsätzlichen Tat.

3. Ausnahme: Rote Ampel umfahren ist nicht immer ordnungswidrig

Um eine rote Ampel herumzufahren ist verboten und wird normalerweise mit einem Bußgeld und Fahrverbot bestraft. Doch es gibt auch Ausnahmen: Ein Autofahrer war vor einer roten Ampel auf eine links liegende Tankstelle und von dort wieder links auf die kreuzende Straße gefahren.

Das Oberlandesgericht Hamm (Az. 1 RBs 98/13) entschied daraufhin, dass das Rotlicht in diesem Fall nur für die geradeaus weiterfahrende Fahrzeuge gelte der Fahrer ging straffrei aus. Die Richter des OLG Hamm betonten jedoch, dass es weiterhin verboten sei, die Ampel über den Gehweg, einen Randstreifen oder eine Busspur zu umfahren.

4. Ausnahme: Auf Parkplätzen gelten andere Gesetze

Rechts vor links ist eine Grundregel im Straßenverkehr. Doch auch hierfür gibt es Ausnahmen: Auf Parkplätzen gilt die Vorfahrtsregel nämlich nur dann, wenn die kreuzenden Fahrspuren Straßencharakter haben, also ausreichend breit und entsprechend markiert sind. Wer dagegen von rechts auf einen Parkplatz einfährt, auf dem die Fahrspuren vor allem dem Ein- und Ausparken dienen, kann sich nicht auf seine Vorfahrt verlassen, entschied das Landesgericht Detmold (Az. 10 S 1/12).

5. Ausnahme: Führerscheinentzug wegen Falschparken

Parkverstöße sind ein Kavaliersdelikt? Von wegen! Wer jahrelang immer wieder falsch parkt, kann sogar seine Fahrerlaubnis verlieren. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Az. 10 S 1883/14) hat entschieden, dass eine solche Ausnahmekonstellation vorliegt, wenn ein Autofahrer beharrlich Verkehrsverstöße begeht, auch wenn diese isoliert betrachtet nicht gewichtig sind. Laut Urteil lassen sich aus einem solchen Verhalten Eignungsbedenken in charakterlicher Hinsicht ableiten.

6. Ausnahme: Nutzung des Navi kann teuer werden

Navigationsgeräte haben dem Stadtplan im Auto längst den Rang abgelaufen. Wer kein Navi hat, nutzt eine entsprechende App auf seinem Smartphone. Kein Unterschied? Doch! Das Amtsgericht Essen (Az. III-5 RBs 11/13) urteilte nämlich: Unter dem Begriff der Benutzung eines Mobiltelefons im Sinne der StVO ist auch die Nutzung als Navigationsgerät zu verstehen.« Und sobald das in der Hand gehalten wird, sind 60 Euro fällig, auch ganz ohne zu telefonieren. dpa/nd

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